JULIA VALENTINSBAND Band 21
umzugehen, die mehr oder weniger über einen hereingebrochen sind. In jeder Familie gibt es Meinungsverschiedenheiten, Streit … Manchmal geht es auch nur um banale Dinge, zum Beispiel darum, wer den Müll hinausbringt.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Und natürlich ist niemandem entgangen, dass Ben nicht von allen hier mit offenen Armen aufgenommen wurde. Die meisten haben sich gefreut, als er plötzlich auftauchte …“ Er verzog ein wenig das Gesicht. „… andere weniger, was vielleicht verständlich ist, auch wenn es mich enttäuscht hat. Eigentlich wollte ich abwarten, bis die Wogen sich geglättet haben, aber das hat Ben nicht verdient. Und deshalb …“ Damit wandte er sich direkt an seine Frau.
Aber bevor er noch weitersprechen konnte, trat Rhyll einen Schritt zurück. Ihr Gesicht hatte sich dunkelrot verfärbt. „Ich glaube nicht, dass es nötig ist, das hier vor allen anderen zu besprechen.“
Ihr Mann schüttelte den Kopf. „Das ist sogar bitter nötig.“ Dann nahm er ihre Hände. „Ja, ich war schon einmal verheiratet, aber ich schwöre dir, dass ich Bens Mutter nach dieser letzten Nacht, in der er offenbar gezeugt wurde, nie wieder gesehen habe. Ich war dir nie untreu und werde es auch nie sein. Du bist meine Frau und bleibst es bis zu meinem letzten Tag. Für mich ist meine Familie das Wichtigste auf der Welt. Vielleicht hätte ich dir das viel öfter sagen sollen, dann wäre es womöglich nicht zu dieser Situation gekommen. Ich weiß, dass ich zum Teil selbst daran schuld bin.“
Ben blinzelte, um seine plötzlich aufsteigenden Tränen zurückzuhalten, und Rhyll schien für einen Moment der Atem zu stocken. Dann lächelte sie unsicher.
Ihr Mann küsste sie auf die Wange und wandte sich dann an Paul, der sich unwillkürlich aufrechter hinsetzte. „Du bist mein Erstgeborener, mein erster Sohn, auf den ich immer so stolz war – und noch bin. Aber ich habe ein Geschenk bekommen, auf das die meisten Männer in meinem Alter nicht mehr hoffen können. Ich habe noch einen erstgeborenen Sohn, und ich werde ihn nie fallen lassen, so wie du Zack niemals fallen lassen wirst. Seit Ben zum ersten Mal bei uns war, habe ich praktisch über nichts anderes mehr geredet, auch darüber, wie erfolgreich er ist, wie er sich aus dem Nichts hochgearbeitet hat. Damit wollte ich dir nicht wehtun. Du hast deinen Platz in meinem Herzen, und daraus kann dich nichts und niemand vertreiben. Und niemand kann dich ersetzen. Aber genauso, wie ich hoffe, dass Zack eines Tages noch einen Bruder oder eine Schwester bekommt, musst du verstehen, dass Bens Auftauchen ein Glück für unsere Familie ist.“ Gerards nächste Worte galten allen. „Das Leben ist so kurz. Fangen wir also an, all die verlorene Zeit mit ihm wettzumachen.“
In Pauls Gesicht arbeitete es, und er sah auf die mit Fliegengitter versehene Tür, hinter der sein Sohn spielte. Seine Frau berührte ihn an der Hand. Mit einem Nicken stand er auf, ging zu Ben und streckte ihm die Hand hin.
Ben atmete tief durch.
„In den letzten beiden Wochen habe ich wahrscheinlich all die Pöbeleien nachgeholt, die uns als Kinder entgangen sind“, entschuldigte Paul sich mit einem breiten Lachen. „Es ist zwar ein bisschen spät, aber …“ Er umarmte Ben. „Tut mir leid, dass ich mich wie ein Idiot benommen habe. Willkommen in der Familie.“
Rhyll schloss sich ihm mit einem zerknirschten Lächeln an. „Kann ich dir eine Tasse Tee anbieten, Ben? Ich habe heute Morgen frisches Bananenbrot gebacken. Das mochten die Kinder früher immer am liebsten.“
Melissa, Dana und Belinda, Bens Halbschwestern, Pauls Frau, Chris und Marie scharten sich um Ben, während die beiden jüngsten Brüder, Michael und Terrence, schon einmal den Tisch deckten.
„Ben, wenn du da durch bist, kommst du zu mir auf die hintere Veranda?“
Ben schwirrte der Kopf. In keiner seiner Pflegefamilien, mit einer kurzen Ausnahme, hatte er sich als Teil gefühlt, sondern immer nur als Außenseiter.
Jetzt fühlte er sich zum ersten Mal geliebt.
Er folgte seinem Vater und setzte sich neben ihn auf die Stufen der Veranda.
Ben sprach als Erster. „Danke.“ Das kam von Herzen.
Gerard lächelte. „Ich hoffe, du kommst uns oft besuchen. Bei sieben – Verzeihung, acht – Kindern ist hier immer was los, auch wenn sie inzwischen alle erwachsen sind. Aber das wirst du eines Tages ja selbst erleben.“
Ben sah Zack dabei zu, wie er mit seinem kleinen Fahrrad durch den Hof kurvte. Würde
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