JULIA VALENTINSBAND Band 21
seine verlorene Kindheit. Und jetzt gab er diese Macht auf.
Für sie.
Er küsste sie auf die Stirn. „PLM hat mir eigentlich nie gehört“, sagte er leise und wandte sich zum Gehen.
Im selben Augenblick klingelte Celestes Handy. „Geh ruhig dran“, meinte er, als sie zögerte. „Vielleicht ist es dein erster Auftrag.“
Im Augenblick interessierte sie sich für nichts weniger als für irgendwelche Kundenanrufe. Ben sah sie an, dann ihr Handy, das immer noch auf der Theke lag. Er nahm es hoch und gab es ihr.
Mechanisch nahm sie es entgegen. „Ja?“
Nach ein paar Sekunden legte sie es wieder hin, aber in diesen wenigen Sekunden hatte sich ihre ganze Welt verändert. Die Beine wollten unter ihr nachgeben, und sie musste sich festhalten. Bens Stimme hörte sie nur durch einen Schleier.
„Celeste? Was ist los? Ist etwas passiert?“
Sie rieb sich mit einer fahrigen Bewegung über die Stirn. „Suzanne hat ihr Baby bekommen, aber sie hat starke Blutungen. So habe ich Dad noch nie erlebt.“ Aber das stimmte nicht. Genau so hatte seine Stimme geklungen, als ihre Mutter gestorben war.
Ihre Hände waren eiskalt geworden. Ben nahm sie und versuchte, sie warm zu reiben. „Welches Krankenhaus?“
Celeste musste sich zum Sprechen zwingen. Dann nannte sie ihm den Namen. Er zog sie auf die Straße hinaus und sperrte hinter ihr die Tür ab.
Als sie in der Tiefgarage angelangt waren, hatte Celeste sich wieder so weit von ihrem Schock erholt, dass sie Ben erklären konnte, was passiert war. „Dem Baby geht es gut, aber Suzanne bekommt Medikamente, um die Blutung zu stillen. Wenn die nicht helfen, braucht sie eine Transfusion. Ihr Zustand ist offenbar ziemlich labil.“
Celeste konnte an nichts anderes denken als an ihre winzige kleine Schwester, die ihre Mutter nicht verlieren durfte. Sie selbst war im Alter von zehn Jahren Halbwaise geworden und hatte Jahre gebraucht, bis sie diesen Schicksalsschlag verarbeitet hatte.
Auf einmal kam ihr ein neuer Gedanke, und sie sah Ben an. Er war ihretwegen hier. Natürlich ging es vordergründig um Suzanne und ihr Baby, aber hatte er seine Mutter nicht auf ganz ähnliche Weise verloren?
Jetzt nahm er ihre Hand und lächelte aufmunternd. „Du wirst sehen, es wird alles gut werden.“
Ihr wurde warm ums Herz. Nie hatte sie sich ihm näher gefühlt als in diesem Augenblick. Auf ihn konnte sie sich verlassen, immer. Er bewahrte die Übersicht und sorgte dafür, dass in einem Notfall alles funktionierte. Und als er ihr diesen Heiratsantrag gemacht und mit der Firma ihre Vergangenheit zurückgegeben hatte, hatte er bewiesen, wie ernst es ihm damit war.
Aber was war mit der Zukunft? Mit ihrer beider Zukunft?
Sie ließ den Blick auf seinem markanten Profil ruhen. War er zu sehr Macho für eine gute Beziehung? Oder war sie zu sehr auf ihre Unabhängigkeit bedacht? Passten sie überhaupt zusammen, oder würden sie sich gegenseitig das Leben zur Hölle machen? Konnten sie einen gemeinsamen Weg finden?
Sie fanden das Zimmer auf der Privatstation ohne Schwierigkeiten. Suzanne lag im Bett, die Augen geschlossen, und schien zu schlafen. In ihrem Arm steckte ein Schlauch. Neben ihr saß Rodney mit einem kleinen Bündel im Arm.
Er strahlte Celeste an. „Wie schön, dass du gekommen bist, Liebes.“
Bens Arm schloss sich fester um Celestes Schultern. Sie brachte kein Wort heraus. Ging es Suzanne besser? Gab es noch Anlass zur Sorge? Aber ihr Vater wirkte eher entspannt, als er auf seine kleine neu geborene Tochter hinuntersah.
In diesem Moment öffnete Suzanne die Augen. Sie fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen und versuchte ein Lächeln. „Hallo, große Schwester.“
Celeste kam näher. Ihr Herz hämmerte schmerzhaft gegen die Rippen. „Ich dachte … Dad hat gesagt, du …“
„Ja, ich weiß. Ich hätte dich nicht anrufen sollen.“ Rodney Prince sah Celeste um Entschuldigung bittend an. „Aber ich hatte solche Angst. Ich wollte dir keine Angst machen. Vor ein paar Minuten war der Arzt hier. Alles ist in Ordnung. Suzanne geht es gut, sie muss sich nur noch ein wenig von den Strapazen erholen.“
Seine Frau war noch sehr blass. „Die Ärzte hier sind wirklich sehr gut. Und die Kleine ist gesund, das ist die Hauptsache.“
Celeste lächelte. Einen winzigen Augenblick lang kam ihr der Gedanke, wie ungerecht das Schicksal doch war. Ihre eigene Mutter war tot, während Suzanne lebte. Aber so etwas durfte sie nicht denken. Sie hatte so wunderbare Erinnerungen an
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