Julia-Weihnachten Band 23
an erster Stelle. Und Jobs, die dazu passen, sind schwer zu finden. Vor diesem ewigen Problem stehen ja alle berufstätigen Mütter. Außerdem …“ Sie zog die Nase kraus und lächelte. „Es macht mir Spaß, mit den Kunden zu reden.“
Glückliche Kunden, dachte Alec. Er beobachtete, wie ihr eine dunkle Haarsträhne ins Gesicht fiel und an ihren Lippen haften blieb. Unwillkürlich verspürte er den drängenden Wunsch, die Locke beiseitezuschieben und ihren Platz mit seinem Mund einzunehmen. „Stella hat mir erzählt, dass du fantastischen Kuchen backen würdest.“
Clemmie schenkte ihm ein breites Lächeln. „Wirklich? Wie nett von ihr! Schick sie doch am Sonnabend nach dem Reiten zu mir. Sie kann mir gern beim Backen helfen, wenn sie Lust dazu hat.“
Das Backen am Sonnabendnachmittag wurde zu einer lieben Gewohnheit. Später kam stets Alec dazu, um die Köstlichkeiten gemeinsam mit allen zu verzehren. Der Streit zwischen den Mädchen hatte sich inzwischen gelegt und nicht wiederholt. Außerdem boten diese Treffen Clemmie die Gelegenheit, Stella besser kennenzulernen. Sie war ein nettes, selbstsicheres, aber manchmal auch sehr scheues Mädchen. Das hatte Clemmie gleich beim ersten Mal erkannt, als sie sich zum Backen getroffen hatten.
An diesem Tag hatte Clemmie den Kuchenteig zunächst in die Formen gefüllt. Anschließend hatte sie die Schüssel über den Tisch zu Stella geschoben.
„Möchtest du sie auslecken?“, hatte sie lächelnd gefragt.
Stella biss sich auf die Unterlippe. „Darf ich das?“
Diese Frage verwunderte Clemmie sehr. „Natürlich darfst du das“, versicherte sie der Kleinen. „Weshalb denn nicht?“
Stella zuckte mit den Schultern. „Mummy hat das nie erlaubt. Sie hat gemeint, es gehöre sich nicht.“
Clemmie stellte die Formen in den Backofen. Es stand ihr nicht zu, Alison zu kritisieren. „Nun, jeder Mensch ist anders“, erklärte sie. „Ich vermute mal, dass du manches tun darfst, was ich meinen Töchtern noch nicht erlauben würde.“
„Was zum Beispiel, Mom?“, fragte Justine, die zugehört hatte.
Angestrengt hoffte Clemmie auf einen Geistesblitz und erwiderte schließlich: „Reiten zum Beispiel.“
„Soll das heißen, dass wir jetzt doch reiten gehen dürfen?“, fragte Justine misstrauisch.
„Darüber unterhalten wir uns noch einmal, wenn es draußen wieder wärmer ist“, entgegnete Clemmie bestimmt. Als sie durch das Fenster plötzlich Alec draußen entdeckte, strahlte sie unwillkürlich. „Da kommt dein Vater, Stella!“
Alec trat ein und überreichte ihr einen großen Strauß violetter Astern.
„Das ist doch wirklich nicht nötig“, gab Clemmie zurück und steckte die Nase zwischen die duftenden Blüten.
„Wäre dir etwas anderes vielleicht lieber gewesen als Blumen?“, erkundigte er sich, und seine Frage klang ganz beiläufig.
Für einen langen Moment schauten sie sich wortlos und voller Verlangen an. Schließlich spürte Clemmie, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. Rasch verbarg sie das Gesicht hinter dem Strauß. Natürlich gab es da etwas, das ihr lieber gewesen wäre – und das wusste Alec verdammt genau! Sie begehrte diesen Mann so sehr, dass sie nachts nicht mehr schlafen konnte. Dennoch warnte eine innere Stimme sie, dass die Sache mit Alec zu kostbar wäre und sie deshalb nichts überstürzen sollte.
Alec hatte eine Freundschaft gewollt. Und eindeutig meinte er es auch so. Für sie dagegen war dies eine ganz neue Erfahrung: Clemmie war noch nie mit einem Mann einfach nur befreundet gewesen. Diese warmherzige Kameradschaft mit einem Mitglied des anderen Geschlechts hatte sie nie erlebt. Bill hatte nur Männer als Freunde gehabt. Seiner Ansicht nach waren Frauen ausschließlich für Sex und die Hausarbeit da. Mit dieser Einstellung hatte er ihr das Gefühl vermittelt, ein reines Objekt und kein Mensch aus Fleisch und Blut zu sein.
Bei Alec begann sie sich dagegen zu entspannen. Sie konnte sich voll entfalten und genoss seine Wärme und seine Zuneigung in vollen Zügen – fast wie eine Katze, die sich vor dem brennenden Kaminfeuer rekelte. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie keine Außenseiterin mehr und fühlte sich dazugehörig. Am Anfang war sie das Schlüsselkind gewesen, dann die Stieftochter ohne Heimat, schließlich die junge fremde Braut und am Ende die geschiedene Frau. Doch jetzt hatte sie den Eindruck, auf der Schwelle zu etwas ganz Neuem und Gutem zu stehen.
Natürlich war sie noch immer eine geschiedene Frau mit
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