JULIA WEIHNACHTSBAND Band 22
abrupt zum Stehen kam und Rocco sie hinauswarf, hatte sie nicht glauben können, dass er einfach aufgeben wollte, was sie ihrer Meinung nach gemeinsam teilten.
Aus diesem Grund hatte sie ihn ständig angerufen. Sie hatte eingesehen, dass er furchtbar wütend auf sie war wegen der abscheulichen Story in der Zeitung – eingesehen, dass sie allein schuld an dieser Geschichte war und deshalb für Wiedergutmachung sorgen musste. Ihre Liebe zu Rocco hatte sie demütig gemacht und sie gelehrt, sich ihren Fehlern zu stellen.
Und wie hatte er ihre Demut belohnt? Indem er ihr einen Tritt in den Hintern gab.
Ambers zarte Gesichtszüge wurden hart. Sie schob ihr honigblondes Haar aus der Stirn, sodass es in einer dichten glänzenden Mähne um ihre schmalen Schultern fiel. Das Haar musste dringend geschnitten werden. Sie hatte es wachsen lassen, um Geld zu sparen. Bei dem Tempo, wie sich ihre finanzielle Lage derzeit besserte, würde es vermutlich bis zu ihren Waden reichen, bevor sie sich einen Besuch bei einem Friseur leisten konnte. Rocco zu lieben hatte sie auch gelehrt, was es hieß, arm zu sein … Oder zumindest, wie furchtbar demütigend es nach einer langen Zeit der Unabhängigkeit war, erneut auf die Großzügigkeit der Familie angewiesen zu sein, um überleben zu können.
Ambers Magen knurrte nervös, und sie konzentrierte sich wieder auf Rocco. Aufmerksam betrachtete sie seine langen, dichten schwarzen Wimpern und verglich sie mit Freddys. Im Gegensatz zu dem hellblonden Rocco war Freddys Haar rabenschwarz. Rasch schloss sie die Augen und flehte stumm um mehr Entschlossenheit.
„Wem oder was verdanke ich die Ehre dieses zweiten Zusammentreffens?“, fragte er trocken. „Ich dachte, zwischen uns wäre alles gesagt.“
Rocco war näher an sie herangetreten. Amber biss sich auf die Unterlippe und legte den Kopf zurück. Trotzdem sah sie ihn nur bis zu seiner goldenen Seidenkrawatte. Hastig stand sie wieder auf. „Wenn du Harris Winton erzählst, dass ich möglicherweise hier sein könnte, um ihn für irgendein Klatschblatt auszuspionieren, wirft er mich auf der Stelle hinaus.“
Rocco betrachtete sie mit undurchdringlicher Miene. Sein markantes Gesicht blieb absolut ausdruckslos in der gespannten Stille, die nun folgte.
„Ich begreife nicht, wie du so etwas auch nur denken kannst. Es ist total verrückt.“
„Ist es das wirklich? Wenn ich mich recht erinnere, hast du einmal erzählt, dass du wahnsinnig gern Journalistin geworden wärst.“
Amber war bestürzt und rührte sich nicht. Hatte sie ihm das wirklich erzählt? In einem jener vertrauensvollen Gespräche, als er einfach alles über sie wissen wollte? Offensichtlich. Allerdings hatte sie ihm nicht die ganze Wahrheit verraten. Als Teenager hatten ihre Eltern sie ständig gedrängt, für bessere Zeugnisnoten zu sorgen. Als sie schließlich einsahen, dass ihre Tochter niemals Ärztin, Anwältin oder Lehrerin werden würde, wurde sie von ihnen praktisch gezwungen, sich auf Journalismus zu konzentrieren. Sie hatten sie extra für einen Spezialkurs in Medienkunde angemeldet, bei dem sie leider ziemlich schlecht abgeschnitten hatte.
„Und wie verzweifelt du warst, als du keinen Job bei einer Zeitung finden konntest“, schloss Rocco aalglatt.
Zum ersten Mal wurde Amber sich der bitteren Wahrheit bewusst: Rocco hatte vor achtzehn Monaten mehr, als ihr lieb war, Grund zu der Annahme gehabt, die Aussicht auf einen Platz im Rampenlicht der Medien hätte sie dazu verleitet, über ihre Beziehung mit ihm zu reden. Es war zum Verzweifeln, dass eine unbedeutende und völlig aus dem Zusammenhang gerissene Aussage ihn in seinem Glauben bestärkt hatte, dass sie tatsächlich schuldig war.
„Weißt du, weshalb ich mich einzig und allein um diesen Job beworben hatte? Meine Eltern waren gerade gestorben. Es war ihre Idee gewesen, dass ich es mit dem Journalismus versuchen sollte, nicht meine. Außerdem hat das, was ich mit sechzehn wollte oder eben nicht wollte, sehr wenig mit dem Menschen zu tun, der ich heute bin“, fügte sie verächtlich hinzu.
Rocco sah sie weiter herausfordernd an. „Das mag wohl sein. Aber als wir uns kennenlernten, hast du in einer Bank gearbeitet und dich auf dein Examen als Buchhalterin vorbereitet. Nenn mir einen guten Grund, weshalb du dich jetzt als Gärtnerin ausgeben solltest?“
„Weil es den Tatsachen entspricht! Dies war der einzige Job, den ich finden konnte … Zumindest die einzige Arbeit, die derzeit für mich praktisch
Weitere Kostenlose Bücher