Julia Weihnachtsband Band 26
wohl gehört, reagierte aber nicht. Erinnerungen überfielen ihn.
„Ich habe gefragt, ob Sie etwas trinken möchten.“
Als Cullen Wendys Frage mitbekam, fuhr er zu ihr herum. Sie stand am offenen Kühlschrank und hielt einen Krug mit einer pinkfarbenen Flüssigkeit in der Hand. „Was ist das?“
„Rosa Limonade.“
„Haben Sie auch Mineralwasser?“
„Nur Leitungswasser.“
„Das reicht.“
„Gläser finden Sie im Schrank.“ Sie deutete auf den Schrank neben der Spüle. „Bedienen Sie sich.“
Er ging zur Spüle und sah zu, wie Wendy sich und Harry Limonade einschenkte und dann Eier, Butter und Milch auf der Kücheninsel bereitstellte. Er konnte sich nicht erinnern, seine Mutter je in der Küche, geschweige denn beim Kochen, gesehen zu haben.
„Wir backen Plätzchen. Wenn Sie helfen möchten?“
Auf Wendys Frage hin drehte er sich um. Ihr Lächeln wirkte gezwungen. Ihre Augen strahlten nicht mehr so wie vorher. Offenbar wollte sie seine Hilfe nicht, und er war im Grunde nicht in der Stimmung, sich an Dinge zu erinnern, die doch nur eine sonderbare Mischung aus Ärger und Traurigkeit in ihm wachriefen.
„Nein. Falls Sie irgendwo ein Buch haben, würde ich lieber lesen.“
Sie wirkte beruhigt. „Ich habe ein ganzes Zimmer mit Regalen, vollgestopft mit allem, was das Herz begehrt. Die dritte Tür …“
„Rechts. Ich weiß. Früher war es Bibliothek und Arbeitszimmer. Deswegen hat es eingebaute Bücherschränke.“
„Schön. Öffnen Sie die Vorhänge. Sobald es zu dunkel wird, greifen wir zu Kerzen und Taschenlampen.“
„Gut.“
Mit einer Mischung aus Wehmut und Enttäuschung betrat er die Bibliothek. Seine Mutter hatte jeden Abend und an den meisten Wochenenden in diesem Raum gearbeitet. Doch Wendy hatte ihn nicht mit Schreibtisch und Lederstühlen ausgestattet. Stattdessen stand eine Chaiselongue vor dem Erkerfenster. Am Fußende lag eine abgenutzte gelbe Wolldecke. Der Raum, früher ein Arbeitsplatz, war jetzt ein Ort des Friedens und der Stille. Cullen überflog die Buchtitel, fand einen Thriller von einem bekannten Autor und ließ sich auf der Chaiselongue nieder.
Eine Stunde später durchzog der Duft von frisch gebackenen Plätzchen den Raum. Cullen schloss die Augen und atmete tief ein, bevor er aufstand und in die Küche ging.
„Hier riecht es gut.“
Harry, grünen Zuckerguss auf der Nasenspitze und einen Mehlstreifen auf einer Wange, grinste ihn an. „Ich male ein Buntglasfenster auf eine Kirche.“
Cullen lachte. „Was du nicht sagst!“
Wendy gab sich beleidigt. „Hey, für meine Plätzchen lasse ich mir eine Menge einfallen.“
Cullen warf einen Blick auf die Reihen bereits verzierter Plätzchen und nickte. „Das sehe ich.“
Harry nickte. „Mal auch eins an, Mr …“
„Mr Barrington“, ergänzte Wendy.
„Da wir unter so ungewöhnlichen Umständen so eng aufeinanderhocken, sollten wir uns duzen. Ich heiße Cullen.“
„Okay, Cullen!“, sagte Harry und reichte ihm ein Plätzchen. „Du kannst das hier anmalen. Das ist eine Glocke.“
„Das sehe ich.“
„Dann mal es an.“
„Mit Zuckerguss“, erklärte Wendy. „Aber du solltest dir zuerst die Hände waschen.“
Cullen wollte Nein sagen. So etwas hatte er noch nie im Leben getan, und er wollte auch jetzt nicht damit anfangen. Doch wie konnte er die Bitte eines Kindes ausschlagen, das gerade die Mutter verloren hatte?
„Okay.“
Er wusch sich die Hände, griff nach seinem Plätzchen und nahm einen der neben den bunten Zuckergusstöpfchen aufgereihten Pinsel zur Hand. Er sah zu, wie Wendy ihren Pinsel in den gelben Zuckerguss tauchte und ihr Plätzchen, eine Glocke, leuchtend gelb färbte. Dann malte sie die Schleife darüber rot an. Er tat es ihr nach, wählte jedoch Blau für seine Glocke und Weiß für die Schleife.
Harry lächelte wohlwollend. „Schön.“
„Es gefällt mir auch. Aber wisst ihr was? Ich werde langsam hungrig.“
„Wenn ich hier fertig bin, mache ich Hamburger“, erklärte Wendy.
„Ich bin ein Meister im Hamburger-Braten. Du hast doch gesagt, dein Gasherd funktioniert, oder?“
Sie nickte. „Darin haben wir schließlich diese Plätzchen gebacken.“
„Dann malt ihr zwei einfach weiter. Ich brate die Hamburger, und wenn ihr fertig seid, steht das Abendessen bereit.“
Wendy lächelte. Cullens Herzschlag geriet ins Stolpern. In dieser gemütlichen Umgebung hatte sich die Situation für ihn ein wenig normalisiert. Doch das war nicht unbedingt gut. Statt sich bei
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