Julia Winterträume Band 8 (German Edition)
habe sie hierher gebracht, und ich fühle mich verantwortlich für sie.“
„Du wolltest sie mit mir verkuppeln“, konterte er anklagend.
„Die Möglichkeit habe ich erwogen, zugegeben. Ich dachte, du wüsstest Kayleens Vorzüge zu schätzen. Offensichtlich habe ich mich getäuscht. Dass du gleich bei der erstbesten Gelegenheit über sie herfällst …“
Lina wollte ihm Schuldgefühle einreden? Da war sie bei ihm an der falschen Adresse! Als Prinz stand er über den Dingen und hatte automatisch recht. Und doch … Tief in seinem Innern meldete sich eine zaghafte Stimme mit dem Einwand, er könnte möglicherweise doch etwas übereilt gehandelt haben …
„Kayleen wollte an die Klosterschule zurückkehren, um sich dort lebendig zu vergraben“, versuchte er sich zu rechtfertigen.
„Und du maßt dir an, das zu verhindern, ja? Wenn du sie nicht willst, warum zerstörst du dann ihr Leben?“
„Das tue ich doch gar nicht!“ Moment! Irgendwie lief es in letzter Zeit immer darauf hinaus, dass er sich verteidigen musste. Und das passte ihm nicht.
„Ach, hör doch auf! Du hattest kein Recht, über ihre Zukunft zu entscheiden. Und schon gar nicht das Recht, ihr das Kostbarste zu nehmen, was eine Frau zu geben hat. Jetzt ist ihr die Rückkehr zum Konvent versagt, und du hast auch keine Verwendung für sie. Ihr Leben ist zerstört, As’ad, und daran bist ganz allein du schuld! Kayleen ist nicht der Typ, der eine heiße Liebesnacht abtut wie ein nettes Abendessen.“
As’ad trat an die Glastüren, die auf den Balkon führten. Ein schmerzhaftes Pochen in seinen Schläfen kündigte Kopfschmerzen an. Kein Wunder … Einerseits fand er, dass seine Tante hoffnungslos dramatisierte, andererseits konnte er ihren Standpunkt auch wieder nachvollziehen.
Er hatte Kayleen begehrt und sie genommen. Wie unzählige Frauen vor ihr. Mit einem entscheidenden Unterschied: Die anderen Frauen verfügten über genug Erfahrung, um zu wissen, wie das Spiel lief. Kayleen hingegen wusste nicht einmal, dass es sich um ein Spiel handelte. Sie hatte sich ihm leidenschaftlich und vertrauensvoll hingegeben, hatte ihr Zusammensein genossen. Er hatte ihr eine ganz neue Erfahrung geschenkt, gleichzeitig aber etwas genommen, was er ihr nicht zurückgeben konnte.
Linas Worte hallten in seinem Kopf nach. Er hatte Kayleen die Unschuld geraubt, und das unter dem Dach des Königs. In früheren Zeiten hätte ihn das seinen Kopf gekostet. Zumindest hätte er die Frau heiraten müssen, deren Jungfräulichkeit er zerstört hatte. Das war eine Frage der Ehre.
Zum ersten Mal hinterfragte er ernsthaft seine Motive. Hatte er es unbewusst darauf angelegt, Kayleen heiraten zu müssen? Wie auch immer, die Uhr ließ sich nicht zurückdrehen. Jetzt hieß es, das Richtige zu tun.
Er drehte sich zu seinen Tante um, straffte die Schultern und verkündete mit flammendem Blick: „Ich werde Kayleen heiraten.“ Im selben Moment, als er die Worte aussprach, wartete er auf die schale Erkenntnis, Lina in die Falle getappt zu sein. Doch das Gegenteil passierte. Plötzlich sah er alles mit anderen Augen. Er war erleichtert. Erleichtert, dieses leidige Thema endlich zu einem Abschluss zu bringen. Da er ohnehin keine Liebesheirat anstrebte, war Kayleen eine ausgezeichnete Wahl. Er mochte sie, sie war intelligent und sympathisch, liebte Kinder. Was ihr an gesellschaftlichem Schliff fehlte, konnte sie leicht lernen. Sie würde ihm starke Söhne schenken. Und, fast noch am wichtigsten, sie war bescheiden und anspruchslos. Seinen Antrag würde sie voller Dankbarkeit annehmen, darauf könnte er schwören.
Lina sah ihn entgeistert an. „Du willst was ?“
„Sie heiraten. Verantwortung übernehmen. Das ist es doch, was du von mir erwartest, oder?“ Er hob fragend die Brauen. „Kayleen hat sich mir voller Unschuld hingegeben, ohne sich über die Konsequenzen klar zu sein. Als Ehrenmann bleibt mir da nur eine angemessene Möglichkeit zu reagieren.“
„Bist du dir ganz sicher?“ Sie zog nachdenklich die Stirn kraus.
„Ja, und ich werde ihr gleich meine Entscheidung mitteilen. Kayleen ist ja eine einfühlsame Frau und begreift sicher, welche Ehre ihr damit widerfährt.“
„Oh, ich wünschte, dabei könnte ich Mäuschen spielen“, sagte Lina mehr zu sich selbst als zu ihrem Neffen.
„Warum sagst du das?“
Ein spöttisches Lächeln umspielte ihre Lippen. „Ich würde dir raten, deinen Antrag ein wenig – nun, sagen wir – taktvoller zu formulieren, aber du
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