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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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Dolchen ausgerüstet waren, ehe er sie klammheimlich zu dem Felsen führte, auf dem die Salimbeni-Festung errichtet war.
    Nur die funkelnden Sterne am mondlosen Himmel wurden Zeuge, wie die Eindringlinge so lautlos wie möglich den Hügel erklommen und schließlich am Fuß des großen Gebäudes ankamen. Dort krochen sie eine Weile die leicht schräge Wand entlang, bis jemand in einer Höhe von etwa sechs Metern eine vielversprechende Öffnung entdeckte und Romeo an der Schulter berührte, um dann wortlos zu der Stelle hinaufzudeuten.
    Romeo, der keinem anderen die Ehre gönnte, als Erster zu gehen, band sich ein Seil um die Taille und prüfte, dass er sich mit Hilfe von zwei Dolchen gut festhalten konnte. Dann begann er seinen Aufstieg, indem er die Klingen in den Mörtel zwischen den Steinblöcken rammte und sich anschließend mühsam mit den Armen hochzog. Die Mauer war gerade schräg genug, um ein solches Unterfangen überhaupt möglich zu machen, aber keineswegs so schräg, dass man von einem Kinderspiel sprechen konnte. Bruder Lorenzo rang mehr als einmal nach Luft, weil Romeo mit dem Fuß von der Wand abrutschte und nur noch an den Armen hing. Wäre Romeo bei besserer Gesundheit gewesen, hätte der Mönch sich keine so großen Sorgen gemacht, doch er vermutete, dass sein Freund beim Erklimmen der Wand bei jeder Bewegung nahezu unerträgliche Schmerzen litt, weil seine Bauchwunde nie richtig verheilt war.
    Romeo aber spürte seine Wunde kaum, während er die Wand hochkletterte, denn der Schmerz wurde ertränkt von der Qual, die er in seinem Herzen empfand, wenn er sich vorstellte, dass Giulietta von Salimbenis skrupellosem Sohn zur Unterwerfung gezwungen wurde. Er konnte sich nur allzu gut an den Palio erinnern, wo Nino mit eiskalter Präzision Tebaldo Tolomei erstochen hatte. Romeo war sich darüber im Klaren, dass keine Frau in der Lage sein würde, diesem Mann den Zutritt zu verwehren, wenn er Einlass begehrte. Ebenso wenig war damit zu rechnen, dass Nino sich durch die Androhung eines Fluches abschrecken ließ. Bestimmt wusste der junge Mann, dass er vonseiten des Himmels ohnehin schon bis in alle Ewigkeit verflucht war.
     
    Rocca di Tentennano wirkte von innen ebenso freudlos wie von außen. Es gab an den Wänden keine schönen Fresken und auch keine Wandteppiche gegen die Zugluft. Im Gegensatz zum Palazzo Salimbeni, wo alles darauf abzielte, erlesenen Geschmack und Wohlstand auszustrahlen, war dieser Ort zu keinem andern Zwecke als dem der Herrschaft erbaut worden. Jeder Versuch, die Räumlichkeiten zu schmücken, wäre für das schnelle Vorankommen von Männern und Waffen nur hinderlich gewesen.
    Während Romeo - dicht gefolgt von Bruder Lorenzo und den anderen - die endlosen, gewundenen Gänge entlangeilte, bekam er allmählich Angst, dass es eher eine Frage des Glückes als des Mutes sein könnte, Giulietta in diesem lebenden Mausoleum zu finden und unbemerkt mit ihr zu entkommen.
    »Vorsicht«, zischte er und hob eine Hand, als er plötzlich an einer Ecke eine Wache entdeckte, »zurück!«
    Um die Wache zu umgehen, nahmen sie einen Umweg durch ein Labyrinth aus Gängen, fanden sich am Ende aber an genau der Stelle wieder, von welcher sie aufgebrochen waren. Wortlos kauerten sie sich in die Dunkelheit, wo die Fackeln nicht hinreichten.
    »An allen Ecken sind Wachen postiert«, flüsterte einer von Giannozzas Männern, »aber hauptsächlich in diese Richtung ...« Er deutete geradeaus.
    Romeo nickte ernst. »Ich weiß. Uns bleibt vielleicht nichts anderes übrig, als einen nach dem anderen zu erledigen, aber ich möchte damit so lange wie möglich warten.«
    Er brauchte nicht zu erklären, warum er Waffenlärm vorerst vermeiden wollte. Ihnen allen war nur zu bewusst, dass ihnen die Wachen, die vorerst noch in den Tiefen der Burg schliefen, zahlenmäßig weit überlegen waren. Falls es tatsächlich zum Kampf kommen sollte, bestand ihre einzige Hoffnung in der Flucht. Aus diesem Grund hatte Romeo drei Männer draußen zurückgelassen, damit sie die Pferde bereithielten und - falls nötig - Giulietta beim Sprung von der Mauer auffingen, doch allmählich wuchs in ihm der Verdacht, dass ihre Aufgabe lediglich darin bestehen würde, zu Giannozza zurückzukehren und von einem traurigen Scheitern zu berichten.
    Während er schon im Begriff war zu verzweifeln, weil sie keine Fortschritte machten, berührte Bruder Lorenzo ihn an der Schulter und deutete zum anderen Ende des Korridors, wo eine vertraute Gestalt

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