Julia
aufgetaucht war. Der Betreffende -Nino - hatte eine Fackel in der Hand und ging sehr langsam, fast widerwillig, als hätte er etwas zu erledigen, das er am liebsten verschieben würde. Obwohl es eine kalte Nacht war, trug er nur eine Tunika, hatte jedoch ein Schwert an seinen Gürtel geschnallt. Romeo wusste sofort, wohin er unterwegs war.
Nachdem er Bruder Lorenzo und Giannozzas Mannen ein Zeichen gegeben hatte, kroch er leise den Gang entlang, um die Verfolgung des Missetäters aufzunehmen. Er hielt erst wieder inne, als Nino seinerseits Halt machte und sich an zwei Wachen wandte, die eine geschlossene Tür flankierten.
»Ihr könnt jetzt gehen«, erklärte er ihnen, »und euch bis morgen ausruhen. Ich werde mich persönlich um die Sicherheit von Monna Giulietta kümmern. Genau genommen ...« - er wandte sich um, um alle Wachen auf einmal anzusprechen - »könnt ihr alle gehen! Und gebt in der Küche Bescheid, dass heute jeder nach Lust und Laune Wein trinken kann.«
Erst als sämtliche Wachen - voller Vorfreude auf das bevorstehende Saufgelage - abgezogen waren, holte Nino tief Luft und streckte die Hand nach dem Türgriff aus. Doch während er das tat, ließ ihn ein Geräusch hinter seinem Rücken erschrocken zusammenfahren. Es handelte sich unverkennbar um das Geräusch ein Schwertes, das aus der Scheide gezogen wurde.
Nino drehte sich langsam um. Ungläubig musterte er seinen Angreifer. Als er den Mann erkannte, der einen so weiten Weg zurückgelegt hatte, um ihn herauszufordern, quollen ihm vor Überraschung fast die Augen aus den Höhlen. »Das kann nicht sein! Ihr seid doch tot!«
Mit einem bedrohlichen Lächeln trat Romeo ins Licht der Fackel. »Wäre ich tot, dann wäre ich ein Geist und Ihr müsstet meine Klinge nicht fürchten.«
Sprachlos starrte Nino seinen Rivalen an. Er sah sich einem Mann gegenüber, von dem er angenommen hatte, er würde ihn nie wiedersehen - einem Mann, der dem Grab getrotzt hatte, um die Frau zu retten, die er liebte. Möglicherweise kam Salimbenis Sohn in diesem Augenblick - zum ersten Mal in seinem Leben - der Gedanke, dass er es hier mit einem wahren Helden zu tun hatte, wohingegen er selbst, Nino, ein Schurke war. »Ich glaube Euch«, erklärte er ruhig, während er die Fackel in eine Halterung an der Wand steckte, »und ich respektiere Eure Klinge, aber ich fürchte sie nicht.«
»Das«, antwortete Romeo, der wartete, bis der andere bereit war, »ist ein großer Fehler.«
Gleich um die Ecke lauschte Bruder Lorenzo in hilfloser Aufregung ihrem Wortwechsel. Er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, warum Nino nicht die Wachen zurückrief, um Romeo kampflos zu überwältigen. Immerhin handelte es sich hierbei um einen schändlichen Einbruch, nicht um ein öffentliches Spektakel. Nino brauchte dieses Duell nicht zu riskieren. Romeo allerdings ebenso wenig.
Bruder Lorenzo sah Monna Giannozzas Männer, die neben ihm in der Dunkelheit kauerten, ratlose Blicke wechseln. Auch sie fragten sich, warum Romeo sie nicht herbeirief, damit sie Nino die Kehle durchschnitten, ehe der großspurige Schurke auch nur um Hilfe schreien konnte. Schließlich ging es hier nicht um ein Turnier, bei dem es galt, das Herz einer Dame zu gewinnen, sondern um einen eindeutigen Fall von Diebstahl. Romeo schuldete dem Mann, der ihm die Frau gestohlen hatte, gewiss keinen ehrenwerten Kampf.
Doch die beiden Kontrahenten waren anderer Meinung.
»Der Fehler liegt bei Euch«, konterte Nino, der gerade voller Stolz sein Schwert aus der Scheide zog. »Nun werde ich allen erzählen müssen, dass Ihr gleich zweimal von einem Salimbeni niedergestochen wurdet. Die Leute werden glauben, dass Ihr unser Eisen lieb gewonnen habt.«
Romeo funkelte seinen Gegner mit einem verächtlichen Lächeln an. »Darf ich Euch daran erinnern«, sagte er, während er in Fechtposition ging, »dass in Eurer Familie derzeit eher Knappheit an Eisen herrscht? Ich glaube, die Leute sind zu sehr damit beschäftigt, sich das Maul über den ... leeren Schmelztiegel Eures Vaters zu zerreißen, als dass sie viel Interesse an anderem hätten.«
Einen weniger erfahrenen Kämpfer hätte diese unverschämte Bemerkung dazu veranlasst, wutentbrannt auf den Sprecher loszugehen und dabei zu vergessen, das man im Zorn nicht gut zielt und leicht zum Opfer wird, doch Nino fiel darauf nicht herein. Er riss sich am Riemen und berührte mit der Schwertspitze nur ganz leicht die von Romeo, um auf diese Weise anzuerkennen, dass der andere
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