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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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gepunktet hatte. »Stimmt«, räumte er ein, während er seinen Gegner langsam umkreiste, um eine Schwachstelle in dessen Deckung zu finden, »mein Vater ist weise genug, seine Grenzen zu erkennen. Deshalb hat er mir den Auftrag erteilt, mich mit dem Mädchen zu befassen. Wie rüde von Euch, auf diese Weise ihr ungeduldiges Warten zu verlängern. Sie befindet sich gleich hinter dieser Tür, wo sie bereits mit feuchten Lippen und rosigen Wangen meiner harrt.«
    Dieses Mal war es an Romeo, sich zu beherrschen, indem er Ninos Klinge nur ganz leicht berührte und wartete, bis das zornige Vibrieren seiner Hand nachließ. »Die Dame, von der Ihr sprecht«, erklärte er streng, »ist meine Gattin. Sie wird mich mit Freudenschreien anspornen, Euch in Stücke zu hacken.«
    »Meint Ihr?« In der Hoffnung, seinen Gegner zu überraschen, sprang Nino vor, verfehlte ihn jedoch. »So viel ich weiß, ist sie ebenso wenig Eure Gattin wie die meines Vaters. Und schon bald ...«, fügte er grinsend hinzu, »wird sie niemands Gattin, sondern meine kleine Hure sein, die den ganzen Tag danach lechzen wird, nachts von mir unterhalten zu werden ...«
    Romeo machte seinerseits einen Ausfall und verfehlte Nino nur um Haaresbreite, weil dieser die Geistesgegenwart besaß, zu parieren und die Klinge abzuwehren. Der Angriff reichte jedoch aus, um ihrem Gespräch ein Ende zu setzen, und eine ganze Weile hörte man nichts anderes mehr als das Kreuzen ihrer Klingen, die immer wieder mit hasserfülltem Klirren aufeinandertrafen, während die beiden Kontrahenten ihren tödlichen Kreistanz vollführten.
    Zwar kämpfte Romeo nicht mehr so leichtfüßig wie vor seiner Verletzung, doch dafür hatten ihm seine Leiden Zähigkeit verliehen und ihn - was noch wichtiger war - mit einem glühenden Hass erfüllt, welcher bei richtigem Einsatz mehr bewirken konnte als jedes kämpferische Können. Daher ließ Romeo sich nicht dazu verführen, nach dem Köder zu schnappen, während Nino herausfordernd um ihn herumtanzte, sondern wartete geduldig auf seinen Moment der Rache ... denn er vertraute darauf, dass die Jungfrau Maria ihm einen solchen Moment gewähren würde.
    »Was habe ich doch für ein Glück!«, rief Nino, der Romeos Passivität für ein Zeichen von Erschöpfung hielt. »Nun kann ich an ein und demselben Abend in meinen beiden liebsten Sportarten schwelgen. Sagt mir, wie fühlt es sich an ...«
    Romeo brauchte nur einen kurzen, leichtsinnigen Moment der Unsicherheit in Ninos Stand, um mit unglaublicher Schnelligkeit vorzuspringen, dem anderen das Schwert zwischen die Rippen zu rammen und ihm das Herz zu durchbohren, ehe er ihn für einen Augenblick mit seiner Klinge an die Wand spießte.
    »Wie sich das anfühlt?«, höhnte er dem völlig verblüfften Nino direkt ins Gesicht. »Wolltet Ihr das wirklich wissen?« Mit diesen Worten zog er seine Klinge voller Abscheu wieder heraus und sah zu, wie der leblose Körper zu Boden glitt und dabei einer karmesinrote Spur an der Wand hinterließ.
    Von seinem Platz gleich um die Ecke hatte Bruder Lorenzo schockiert den Ausgang des kurzen Duells beobachtet. Der Tod hatte Nino derart schnell ereilt, dass aus dem Gesicht des jungen Mannes nichts als Überraschung sprach. Dem Mönch wäre es lieber gewesen, Nino hätte seine Niederlage noch bewusst erlebt - und sei es nur für einen kurzen Moment -, ehe er den Geist aufgab. Doch der Himmel hatte sich gnädiger gezeigt als der Mönch, und den Leiden des Schurken ein Ende gesetzt, ehe sie überhaupt begonnen hatten.
    Ohne sich die Zeit zu nehmen, sein Schwert abzuwischen, stieg Romeo geradewegs über die Leiche, um nach dem Türgriff zu fassen, den Nino mit seinem Leben bewacht hatte. Als Bruder Lorenzo seinen Freund durch die schicksalhafte Tür verschwinden sah, erhob er sich endlich aus seinem Versteck und eilte - mit Giannozzas Mannen im Gefolge - über den Gang, um Romeo ins Unbekannte zu folgen.
    Nachdem er durch die Tür getreten war, hielt Bruder Lorenzo kurz inne, weil seine Augen sich erst an die Dunkelheit gewöhnen mussten. Abgesehen von der Glut im Kamin und dem schwachen Licht der Sterne, die durch ein offenes Fenster hereinfunkelten, war der Raum nicht beleuchtet. Nichtsdestotrotz war Romeo schnurstracks zum Bett geeilt, um die schlafende Bewohnerin des Zimmers zu wecken.
    »Giulietta, meine Liebe!«, stieß er ungeduldig hervor, während er sie in seine Arme riss und ihr bleiches Gesicht mit Küssen bedeckte, »wach auf! Wir sind hier, um dich zu

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