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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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fest unter einen Arm geklemmt hielt.
    »Was macht er?«, wollte Janice wissen.
    »Sieht aus wie eine Art Safe ... Er nimmt etwas heraus. Eine Kiste.«
    Janice grub aufgeregt die Finger in meinen Arm. »Vielleicht ist es der Cencio !«
    Ich spähte noch einmal hinaus. »Nein, dafür ist das Ding zu klein. Eher eine Zigarrenkiste.«
    »Habe ich es doch gewusst! Er raucht.«
    Aufmerksam sah ich zu, wie Alessandro den Safe wieder absperrte und mit der Kiste zurück in Richtung Museum verschwand. Wenige Augenblicke später schloss sich das Eisengitter mit einem Klirren, das viel zu lang durch die Bottini - und unsere Ohren - hallte.
    »O nein!«, stöhnte Janice.
    »Das heißt jetzt aber nicht ...!« In der Hoffnung, dass sie meine Bedenken sofort wieder zerstreuen würde, drehte ich mich nach ihr um. Doch selbst in der Dunkelheit sah ich ihre erschrockene Miene.
    »Na ja, ich habe mich schon gefragt, warum vorher nicht abgeschlossen war.«
    »Was dich aber nicht abgehalten hat, oder?«, fauchte ich. »Und jetzt sitzen wir hier fest!«
    »Wo bleibt denn dein Sinn für Abenteuer?« Janice versuchte stets, aus der Not eine Tugend zu machen, doch dieses Mal überzeugte sie nicht einmal sich selbst. »Ist doch super! Höhlenforschung hat mich schon immer interessiert. Irgendwo gibt es bestimmt einen Ausgang.« Sie sah mich an und kam offenbar zu dem Schluss, dass es ihre Nerven entspannen würde, mich ein wenig aufzuziehen: »Oder wäre es Wulietta wieber, Womeo würde wie wetten?«
    Nachdem wir Tante Rose mal einen ganzen Abend lang mit Fragen genervt hatten, wie es denn in Italien sei und warum sie nie mit uns hin wolle, war Umberto auf die Idee gekommen, uns die römischen Katakomben zu beschreiben. Nachdem er uns beiden ein Geschirrtuch in die Hand gedrückt hatte, damit wir uns nützlich machen konnten, während er abspülte, erklärte er uns, die frühen Christen hätten sich in geheimen unterirdischen Höhlen getroffen, weil sie dort Versammlungen abhalten konnten, ohne Gefahr zu laufen, von Außenstehenden bei ihren Aktivitäten beobachtet und an den heidnischen Kaiser verraten zu werden. Darüber hinaus hätten sich diese frühen Christen der römischen Tradition der Einäscherung widersetzt, indem sie ihre Toten in Tücher hüllten und hinunter in die Höhlen brachten, wo sie die Leichen in Nischen in der Felswand legten und Bestattungsriten vollzogen, die mit der Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod zu tun hatten.
    Wenn wir wirklich unbedingt nach Italien wollten, so schloss Umberto, dann würde er uns als Erstes diese Höhlen zeigen, damit wir uns all die interessanten Skelette ansehen könnten.
    Während Janice und ich nun durch die Bottini wanderten, wo wir in der Dunkelheit ständig stolperten und abwechselnd die Führung übernahmen, musste ich plötzlich wieder an Umbertos gruselige Geschichten denken. Genau wie die Leute aus seinen Erzählungen wanderten wir hier durch unterirdische Gänge, um nicht entdeckt zu werden, und genau wie jene frühen Christen wussten auch wir nicht genau, wann und wo wir am Ende herauskommen würden - wenn überhaupt.
    Eine kleine Hilfe war immerhin, dass Janice das Feuerzeug für ihre wöchentliche Zigarette dabeihatte. Etwa alle zwanzig Schritte blieben wir stehen und ließen es kurz aufflammen, um sicherzustellen, dass wir nicht im Begriff waren, in ein tiefes Loch zu fallen oder - wie Janice wimmernd meinte, als sich die Höhlenwand an einer Stelle plötzlich glitschig anfühlte - direkt in ein riesiges Spinnennetz zu rennen.
    »Krabbeltiere«, bemerkte ich, während ich ihr das Feuerzeug abnahm, »sind unser geringstes Problem. Brauch nicht das ganze Gas auf. Womöglich müssen wir hier die Nacht verbringen.«
    Eine Weile marschierten wir schweigend dahin - ich voraus, und dicht hinter mir Janice, die sich murmelnd darüber ausließ, dass Spinnen es feucht mochten -, bis ich mit dem Fuß an einem vorstehenden Felsen hängen blieb und mir auf dem rauen Boden derart die Knie und Handgelenke auf riss, dass ich am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre, hätte ich es nicht so eilig gehabt nachzusehen, ob das Feuerzeug noch intakt war.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Janice mit angstvoller Stimme. »Kannst du noch gehen? Ich glaube nicht, dass ich es schaffe, dich zu tragen.«
    »Keine Sorge«, knurrte ich, während ich an meinen Fingern schnüffelte, die eindeutig nach Blut rochen. »Geh du wieder voraus. Hier ...« Ich drückte ihr das Feuerzeug in die Hand. »Hals- und

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