Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
Vom Netzwerk:
Teil halb verschlissene Cenci ausgestellt waren. Der Raum hatte etwas von einem antiken Schrein, und von einer Seite aus führte eine gewundene Treppe aus geschwärztem Stein steil in die Tiefe hinunter.
    »Was wohl dort unten ist?«, flüsterte Janice und reckte den Hals.
    »Vergiss es!«, gab ich zurück. Mittlerweile hatte ich mich wieder einigermaßen gefangen. »Ich habe keine Lust, mit dir in irgendeinem unterirdischen Verließ festzusitzen!«
    Aber Fortuna zog Janices Kühnheit eindeutig meiner Ängstlichkeit vor, denn kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, hörten wir wieder Stimmen. Da sie diesmal von allen Seiten auf uns zuzukommen schienen, hatten wir es so eilig, in Deckung zu gehen, dass wir fast die Stufen hinunterstürzten. Vor Anspannung keuchend gingen wir am Fuß der Treppe in die Hocke.
    Wie sich herausstellte, mussten wir tatsächlich damit rechnen, jeden Moment entdeckt zu werden, denn die Stimmen kamen immer näher, bis schließlich jemand direkt oberhalb der Treppe stehen blieb. »O nein«, flüsterte ich, ehe Janice mir den Mund zuhalten konnte, »das ist er\«
    Mit weit aufgerissenen Augen starrten wir uns an. Da wir mittlerweile im wahrsten Sinne des Wortes in Alessandros Keller kauerten, schien selbst Janice einer Begegnung nicht gerade mit Freude entgegenzublicken.
    In dem Moment gingen rundherum die Lichter an, und wir sahen, dass Alessandro bereits im Begriff war, die Treppe herunterzukommen, dann aber mitten in der Bewegung innehielt. »Ciao, Alessio, come stai ...?«, hörten wir ihn jemanden begrüßen. Janice und ich starrten uns an. Wir begriffen beide, dass uns die Demütigung vorerst noch erspart blieb, wenn auch vermutlich nur für ein paar Minuten.
    Als wir uns daraufhin panisch nach weiteren Fluchtmöglichkeiten umblickten, stellten wir fest, dass wir tatsächlich in einer unterirdischen Sackgasse gefangen waren, genau, wie ich es vorhergesagt hatte. Abgesehen von drei klaffenden Löchern in der Wand - den schwarzen Mündungen von Bottini-Gängen - gab es keinen anderen Ausweg als den nach oben, vorbei an Alessandro. Die Höhlen zu betreten war unmöglich, da die Mündungen mit schwarzen Eisengittern versehen waren.
    Doch zu einer Tolomei sollte man niemals nie sagen. Der Gedanke, hier in der Falle zu sitzen, ging uns beiden derart gegen den Strich, dass wir aufstanden und mit zitternden Fingern die Gitter untersuchten. Während ich in erster Linie herauszufinden versuchte, ob wir uns nicht irgendwo mit roher Gewalt hindurchzwängen konnten, befühlte Janice fachmännisch jeden Bolzen und jedes Scharnier. Offenbar weigerte sie sich zu akzeptieren, dass sich die Gitter nicht irgendwie öffnen ließen. Für sie gab es in jeder Wand eine Tür, zu jeder Tür einen Schlüssel - oder anders ausgedrückt, zu jedem Problem einen Lösungsknopf. Man musste ihn einfach nur finden.
    »Psst!« Sie winkte mich hektisch heran, um mir zu demonstrieren, dass das dritte und letzte Gitter tatsächlich wie eine Tür aufschwang, noch dazu ohne das leiseste Ächzen. »Komm!«
    Wir gingen so weit in die Höhle hinein, wie das Licht reichte, und stolperten dann noch ein paar Schritte in vollkommener Dunkelheit weiter, ehe wir schließlich stehen blieben. »Wenn wir eine Taschenlampe hätten ...«, begann Janice. »Oh, Mistl« Wir wären beinahe mit den Köpfen zusammengeknallt, als plötzlich ein Lichtstrahl fast bis zu der Stelle fiel, wo wir standen. Ein paar Zentimeter mehr, und der Strahl hätte uns erfasst. Dann zog sich das Licht wieder zurück wie eine Welle, die ans Ufer geklatscht war und nun wieder aufs Meer hinausschwappte.
    Vor Erleichterung keuchend, weil wir erneut so knapp der Entdeckung entgangen waren, stolperten wir weiter in die Höhle hinein, bis wir schließlich eine Art Nische fanden, die groß genug war, um uns beide zu verschlucken. »Kommt er? Kommt er?«, zischte Janice, die nichts sehen konnte, weil ich ihr die Sicht versperrte. »Ist er das?«
    Ich streckte kurz den Kopf vor, zog ihn aber schnell wieder zurück. »Ja, ja und ja!«
    Geblendet vom grellen, hin und her schwankenden Lichtstrahl seiner Taschenlampe hatte ich kaum etwas erkennen können, doch nach einer Weile pendelte sich alles ein, so dass ich einen weiteren Blick riskierte. Es war tatsächlich Alessandro - oder vielleicht sollte ich besser sagen, irgendeine Version von Romeo -, und soweit ich sehen konnte, war er stehengeblieben, um eine kleine Tür an der Höhlenwand aufzusperren, wobei er die Taschenlampe

Weitere Kostenlose Bücher