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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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Beinbruch.«
    Nachdem Janice die Führung übernommen hatte, nutzte ich die Gelegenheit, ein wenig zurückzufallen und meine Kratzer - sowohl die körperlichen als auch die seelischen - zu untersuchen, während wir uns weiter ins Unbekannte vortasteten. Die Haut an meinen Knien hing mehr oder weniger in Fetzen herab, doch verglichen mit dem Aufruhr in meinem Inneren war das eine Lappalie.
    »Jan?« Im Gehen berührte ich sie am Rücken. »Glaubst du, er hat mir absichtlich nicht erzählt, dass er Romeo ist, weil er wollte, dass ich mich aus den richtigen Gründen in ihn verliebe, und nicht nur wegen seines Namens?«
    Dass sie statt einer Antwort nur stöhnte, konnte ich ihr wohl nicht verdenken.
    »Du meinst also«, fuhr ich fort, »er hat mir nur deswegen nicht gesagt, dass er Romeo ist, weil er auf keinen Fall wollte, dass eine nervige Virgitarierin seine Tarnung auffliegen lässt?«
    »Jules!« Janice war so darauf konzentriert, sich durch die bedrohliche Schwärze zu tasten, dass sie für meine Spekulationen wenig Geduld aufbrachte. »Könntest du bitte damit aufhören, dich selbst zu quälen? Wir wissen doch nicht mal, ob er wirklich Romeo ist. Und selbst wenn, werde ich ihm trotzdem den Arsch aufreißen, weil er dich so behandelt.«
    Trotz ihres zornigen Tonfalls erstaunte es mich einmal mehr, dass sie sich wegen meiner Gefühle Gedanken machte. Allmählich fragte ich mich, ob es sich dabei tatsächlich um ein völlig neues Phänomen handelte, oder ob es mir früher nur nicht aufgefallen war.
    »Fakt ist nämlich«, fuhr ich fort, »dass er im Grunde nie behauptet hat, ein Salimbeni zu sein. Das habe immer ich ... oje!« Beinahe wäre ich erneut gestürzt. Ich klammerte mich an Janice, bis ich mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte.
    »Lass mich raten«, sagte sie und betätigte das Feuerzeug, damit ich ihre hochgezogenen Augenbrauen sehen konnte, »er hat also auch nie behauptet, etwas mit dem Einbruch ins Museum zu tun zu haben?«
    »Das war Bruno Carrera!«, rief ich. »Er hat für Umberto gearbeitet!«
    »O nein, Julia-Baby«, höhnte Janice mit verstellter Stimme, klang dabei aber kein bisschen wie Alessandro, »ich habe Romeos Cencio nicht gestohlen ... warum hätte ich das tun sollen? Für mich ist das bloß ein alter Fetzen. Aber gib her, ich trage das scharfe Messer für dich, damit du dich nicht verletzt. Wie hast du es genannt? ... Einen Dolch?«
    »So war das überhaupt nicht«, murmelte ich.
    »Liebes, er hat dich angelogen!« Endlich ließ sie das Feuerzeug zuschnappen und setzte sich wieder in Bewegung. »Je eher du das in dein kleines Julia-Gehirn hineinbekommst, umso besser. Glaub mir, dieser Kerl hat null Gefühle für dich. Das ist alles nur eine große Scharade, um an die Edelsteine zu ... Autsch!« Dem Klang nach zu urteilen, hatte sie sich an irgendetwas den Kopf angestoßen. Wieder blieben wir stehen. »Was zum Teufel war das?« Janice wollte nachsehen, brachte das Feuerzeug aber erst beim dritten Versuch zum Brennen - und musste bei der Gelegenheit feststellen, dass ich weinte.
    Der ungewohnte Anblick erschreckte sie derart, dass sie mich mit linkischer Zärtlichkeit in den Arm nahm. »Es tut mir leid, Jules. Ich will dich nur vor Herzschmerz bewahren.«
    »Dabei sagst du doch immer, ich habe gar kein Herz.«
    »Tja« - sie drückte mich - »anscheinend ist dir in letzter Zeit eines gewachsen. Eigentlich schade, ohne warst du lustiger.« Sie schaffte es, mich zum Lachen zu bringen, indem sie mit ihrer klebrigen, nach Mokka-Vanille riechenden Hand mein Kinn kraulte, und fuhr dann ganz gnädig fort: »Es ist sowieso meine Schuld. Ich hätte es kommen sehen müssen. Schließlich fährt der Kerl einen gottverdammten Alfa Romeo!«
    Wären wir nicht an genau dieser Stelle stehengeblieben, noch dazu im letzten flackernden Licht des Feuerzeugs, dann hätten wir die Öffnung in der Höhlenwand zu unserer Linken wahrscheinlich nie bemerkt. Sie war kaum einen halben Meter tief, aber soweit ich sehen konnte, als ich mich auf den Boden kniete und den Kopf hineinstreckte, reichte sie - wie ein Luftschacht in einer Pyramide - mindestens zehn bis zwölf Meter hinauf und endete mit einem kleinen Muschelmuster aus blauem Himmel. Ich bildete mir sogar ein, Verkehrslärm zu hören.
    »Gelobt sei Maria!«, rief Janice. »Wir sind wieder im Geschäft. Du zuerst. Alter vor Schönheit.«
    Der Schmerz und die Frustration, die ich bei unserem Marsch durch den dunklen Tunnel empfunden hatte, waren nichts im

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