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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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hinzu.
    »Woher willst du wissen, dass sie das tatsächlich getan hat?«
    »Ist das denn nicht offensichtlich?«, entgegnete ich, langsam ein wenig verstimmt. »Sie hat ihn so sehr geliebt, dass sie - als Nino sie zu verführen versuchte - Selbstmord begangen hat, um Romeo treu zu bleiben, obwohl die beiden gar nie richtig ... du weißt schon.« Irritiert stellte ich fest, dass er immer noch lächelte. »Du findet das wohl ziemlich lächerlich?«
    »Absolut!«, antwortete Alessandro, während er einen anderen Wagen überholte. »Überleg doch mal. Nino war gar nicht so übel ...«
    »Nino war unsäglich!«
    »Womöglich«, konterte er, »war er ja unsäglich gut im Bett? Warum hat sie sich nicht wenigstens die Zeit gelassen, das herauszufinden? Am Morgen danach hätte sie sich immer noch umbringen können.«
    »Wie kannst du so etwas nur sagen?«, protestierte ich ehrlich entrüstet. »Ich glaube einfach nicht, dass du das wirklich so meinst! Wenn du Romeo wärst, würdest du bestimmt nicht wollen, dass Julia ... Paris probefährt!«
    Er brach in lautes Lachen aus. »Nun hör aber auf! Schließlich hast zu mir gesagt, dass ich Paris bin! Reich, gutaussehend und teuflisch. Selbstverständlich möchte ich, dass Julia mich probefährt.« Er bedachte mich mit einem amüsierten Seitenblick. Offenbar erheiterte ihn meine entrüstete Miene. »Was für eine Art Paris wäre ich, wenn ich mir das nicht wünschen würde?«
    Erneut versuchte ich, meinen Rock bis über die Knie hinunterzuziehen. »Und für wann genau hast du das geplant?«
    »Wie wäre es«, antwortete Alessandro, während er herunterschaltete, »mit sofort?«
    Ich war so sehr auf unser Gespräch konzentriert gewesen, dass ich gar nicht mehr auf den Weg geachtet hatte. Erst jetzt fiel mir auf, dass wir längst von der Hauptstraße abgebogen waren und nun einen einsamen, von staubigen Zedern flankierten Kiesweg entlangfuhren. Er endete schließlich als Sackgasse am Fuß eines hohen Hügels. Doch statt zu wenden, bog Alessandro in einen leeren Parkplatz ein und schaltete den Motor ab.
    »Und hier wohnt Eva Maria?«, krächzte ich, obwohl ich nirgendwo ein Haus entdecken konnte.
    »Nein.« Er stieg aus und holte eine Flasche und zwei Gläser aus dem Kofferraum. »Das ist Rocca di Tentennano. Beziehungsweise ... das, was davon noch übrig ist.«
    Wir gingen den ganzen Weg den Hügel hinauf, bis wir am Fuß einer Festungsruine ankamen. Dank Maestro Ambrogios Beschreibung wusste ich, dass es ursprünglich ein Gebäude von gewaltigen Ausmaßen gewesen war. Der Maestro hatte es als einen »furchteinflößenden Felsen mit einem Nest voller schrecklicher Raubvögel wie aus den alten Sagen« bezeichnet. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, wie es früher einmal ausgesehen hatte, denn ein Teil des mächtigen Turms stand noch und ragte selbst in seinem Zustand fortgeschrittenen Verfalls so drohend über uns auf, als wollte er uns an die Gewalt erinnern, die dort einst geherrscht hatte.
    »Sehr beeindruckend«, sagte ich und berührte die angenehm warme Steinmauer. Für Giulietta hatte sich der Stein an jenem schicksalhaften Winterabend im Jahre 1340 bestimmt ganz anders angefühlt. Noch nie war mir der Kontrast zwischen Vergangenheit und Gegenwart stärker aufgefallen als hier. Damals im Mittelalter herrschte auf dieser Hügelkuppe rege Betriebsamkeit. Nun war es so ruhig, dass man selbst die winzigsten Insekten fröhlich summen hören konnte. Trotzdem lagen hier und dort frisch abgebrochene Steinbrocken herum, als würde sich dieses alte Gebäude - obwohl es seit vielen, vielen Jahren als tot und verlassen galt - auf irgendeine Weise immer noch heben und senken wie die Brust eines schlafenden Riesen.
    »Man nannte es früher die Insel«., erklärte Alessandro, während er weiterspazierte. »L'isola. Normalerweise ist es hier sehr windig, aber heute nicht. Wir haben Glück.«
    Ich folgte ihm einen schmalen, felsigen Pfad entlang. Erst jetzt bemerkte ich die spektakuläre Aussicht auf das in kräftige Sommerfarben gekleidete Orcia-Tal. Rundherum erstreckten sich leuchtend gelbe Felder und grüne Weinberge, unterbrochen von üppigen Wiesen, auf denen hier und dort ein Fleck aus blauen oder roten Blumen aufleuchtete. Hohe Zypressen säumten die schmalen Straßen, die sich durch die Landschaft schlängelten, und am Ende jeder Straße thronte ein Bauernhaus. Bei diesem Anblick bereute ich es fast, dass ich im Alter von elf Jahren aus dem Kunst-Förderkurs ausgestiegen war, nur

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