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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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auch wenn er natürlich nicht in allen Einzelheiten darüber Bescheid wissen konnte, war es mir dennoch ein Bedürfnis, ihn meinen Schmerz spüren zu lassen.
    »Du hast mich angelogen.«
    Statt vor mir zurückzuweichen, kam er näher. »Ich habe dich wegen Romeo nie richtig belogen. Ich habe dir gesagt, dass er nicht der ist, für den du ihn hältst.«
    »Und dass ich ihm fernbleiben soll. Du hast gesagt, mit Paris wäre ich besser dran.«
    Er lächelte über meine vorwurfsvoll gerunzelte Stirn. »Du selbst hast gesagt, ich sei Paris ...«
    »Und du hast mich in dem Glauben gelassen!«
    »Ja, stimmt.« Er berührte mich ganz sanft am Kinn, als fragte er sich gerade, warum ich mir so hartnäckig jedes Lächeln verkniff. »Weil du es so wolltest. Du wolltest unbedingt den Feind in mir sehen. Nur auf diese Weise konntest du mit mir umgehen.«
    Ich öffnete den Mund, um zu widersprechen, begriff dann aber, dass er recht hatte.
    »Die ganze Zeit über habe ich nur auf den richtigen Moment gewartet.« Alessandro merkte, dass er Boden gutmachte. »Und nach gestern ... nach unserem Treffen am Fontebranda-Brunnen dachte ich, du würdest dich freuen.« Sein Daumen verharrte an meinem Mundwinkel. »Ich dachte, du ... magst mich.«
    In der Pause, die nun folgte, bestätigten mir seine Augen alles, was er gerade gesagt hatte, und baten mich um eine entsprechende Antwort. Doch statt ihm diesen Wunsch sofort zu erfüllen, legte ich erst einmal eine Hand an seine Brust. Als ich seinen warmen Herzschlag an meiner Handfläche spürte, sprudelte aus einem Ort tief in meinem Inneren, von dessen Existenz ich bisher keine Ahnung gehabt hatte, eine irrationale, ekstatische Freude hoch und bahnte sich schließlich den Weg an die Oberfläche. »Stimmt. Ich mag dich.«
    Wie lange unser Kuss dauerte, werde ich nie wissen. Es war einer jener Augenblicke, den selbst eine Wissenschaftlerin beim besten Willen nicht auf Zahlen reduzieren könnte. Ich weiß nur, dass hinterher, als schließlich die Welt aus angenehm weiter Ferne wieder angewirbelt kam, alles heller und verheißungsvoller wirkte als je zuvor. Es war, als wäre der ganze Kosmos einer tiefgreifenden Erneuerung unterzogen worden, seit ich ihn mir das letzte Mal angesehen hatte ... oder vielleicht hatte ich nur niemals richtig hingesehen.
    »Ich bin so froh, dass du Romeo bist«, flüsterte ich und lehnte meine Stirn an die seine, »aber selbst, wenn du es nicht wärst, würde ich dich trotzdem ...«
    »Was würdest du mich trotzdem?«
    Verlegen senkte ich den Kopf. »Ich würde dich trotzdem mögen.«
    Er stieß ein leises Lachen aus, weil er genau wusste, dass ich eigentlich etwas viel Elementareres hatte sagen wollen. »Komm ...« - er zog mich neben sich ins Gras -, »sonst vergesse ich noch, was ich dir versprochen habe. Du bist sehr gut darin, mich meine Versprechen vergessen zu lassen.«
    Ich sah ihm an, wie schwer es ihm fiel, seine Gedanken zu sammeln. »Was hast du mir denn versprochen?«
    »Dass ich dir von meiner Familie erzähle«, antwortete er hilflos. »Ich möchte, dass du alles weißt ...«
    »Oh, ich will aber gar nicht alles wissen«, fiel ich ihm ins Wort, während ich mich auf seinen Schoß setzte, »zumindest nicht jetzt gleich.«
    »Warte!« Er versuchte vergeblich, meine drängenden Hände festzuhalten. »Zuerst muss ich dir noch erklären, inwiefern ...«
    »Schhh!« Ich legte die Finger über seinen Mund. »Zuerst musst du mich noch einmal küssen.«
    »... Karl der Große ...«
    »... kann warten.« Ich nahm die Finger weg und vereinte unsere Lippen zu einem langen Kuss, der keinen Raum für Widerspruch ließ. »Findest du nicht auch?«, fragte ich schließlich.
    Er betrachtete mich mit dem Blick eines einsamen Verteidigers, der sich einer barbarischen Invasion gegenübersah. »Aber ich möchte, dass du weißt, worauf du dich einlässt.«
    »Oh, keine Sorge«, gab ich im Flüsterton zurück, »ich glaube, das weiß ich ...«
    Nach drei weiteren Sekunden noblen Ringens brach seine Gegenwehr endlich zusammen, und er zog mich so nahe heran, wie die italienische Mode es zuließ. »Bist du sicher?« Ehe ich es mich versah, lag ich rücklings und vor Überraschung kichernd auf einem Bett aus wildem Thymian. »Tja, Giulietta ...« - Alessandro musterte mich ernst -, »ich hoffe, du erwartest nun keine Reime von mir.«
    Ich lachte. »Wirklich zu schade, dass Shakespeare nie Bühnenanweisungen geschrieben hat.«
    »Warum?« Er küsste mich sanft auf den Hals. »Glaubst

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