Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
Vom Netzwerk:
du wirklich, der kleine William war ein besserer Liebhaber als ich?«
    Am Ende war es nicht meine Sittsamkeit, die dem Spaß ein Ende setzte, sondern der unwillkommene Geist Sieneser Ritterlichkeit.
    »Hast du gewusst«, stöhnte Alessandro, während er mir beide Arme auf den Boden drückte, um auf diese Weise seine restlichen Hemdknöpfe vor meinen forschen Fingern zu retten, »dass Kolumbus sechs Jahre gebraucht hat, um Amerika zu entdecken?« Während er wie die verkörperte Selbstbeherrschung über mir schwebte, pendelte der Patronenanhänger an seinem Lederband zwischen uns hin und her.
    »Warum hat das denn so lange gedauert?« Ich genoss es, ihn vor einem Hintergrund aus blauem Himmel so tapfer mit sich selbst kämpfen zu sehen.
    »Er war ein italienischer Gentleman«, sagte Alessandro mehr zu sich selbst als zu mir, »kein conquistador.«
    »O ja, aber letztendlich ...«, erwiderte ich und versuchte, seine angespannte Kinnpartie zu küssen, »war er wie alle anderen hinter dem Gold her.«
    »Vielleicht am Anfang. Aber dann ...« - seine Hand wanderte nach unten, um meinen Rock wieder dorthin zu ziehen, wo er hingehörte - »entdeckte er, wie sehr er es genoss, die Küste zu erforschen und diese seltsame, neue Kultur kennenzulernen.«
    »Sechs Jahre sind eine lange Zeit«, protestierte ich, weil ich noch nicht bereit war, wieder aufzustehen und mich mit der Realität auseinanderzusetzen.
    »Nein.« Er lächelte über meine indirekte Einladung. »
Sechs
hundert Jahre sind eine lange Zeit. Deswegen glaube ich, du schaffst es, noch eine halbe Stunde Geduld zu haben, bis ich mit meiner Geschichte fertig bin.«
     
    Obwohl der Prosecco bereits warm war, als wir endlich dazu kamen, ihn zu trinken, schien es mir dennoch das köstlichste Glas Prosecco zu sein, das ich je getrunken hatte. Es schmeckte nach Honig und Wildkräutern, nach Liebe und prickelnden Plänen. Während ich so an Alessandro gelehnt dasaß, der seinerseits den Rücken gegen einen Felsblock gelehnt hatte, glaubte ich fast schon daran, dass ich tatsächlich ein langes, glückliches Leben führen würde und endlich ein Gottesgeschenk gefunden hatte, das meine bösen Geister zum Schweigen bringen konnte.
    »Ich weiß, dass du immer noch wütend auf mich bist, weil ich dir nicht gesagt habe, wer ich bin«, begann er, während er mir übers Haar streichelte. »Vielleicht glaubst du, ich habe es dir verschwiegen, weil ich befürchtete, du könntest dich in den Namen verlieben, und nicht in den Mann. In Wirklichkeit trifft das genaue Gegenteil zu. Ich hatte Angst - und habe diese Angst noch immer -, dass du dir, sobald du meine Geschichte von Romeo Marescotti kennst, wünschen wirst, du wärst mir nie begegnet.«
    Ich öffnete den Mund, um ihm zu widersprechen, doch er ließ mich nicht. »Alles, was dir dein Cousin Peppo über mich erzählt hat ... entspricht der Wahrheit. Ich bin sicher, die Psychologen könnten das alles mit irgendwelchen graphischen Darstellungen erklären, aber in unserer Familie hört man nicht auf Psychologen. Wir hören auf niemanden. Wir - die Marescottis - haben unsere eigenen Theorien und sind so sehr von ihrer Richtigkeit überzeugt, dass sie - wie du es ausgedrückt hast - zu Drachen vor unserem Turm werden und niemanden mehr hinein- oder hinauslassen.« Er hielt kurz inne, um mir nachzuschenken. »Hier, der Rest ist für dich. Ich muss ja noch fahren.«
    »So vernünftig?« Ich lachte. »Das klingt gar nicht nach dem Romeo Marescotti, von dem Peppo mir erzählt hat! Ich dachte, du wärst so leichtsinnig! Nun bin ich aber wirklich enttäuscht.«
    »Keine Sorge ...« - er zog mich näher zu sich heran -, »ich mache es auf andere Weise wieder gut.«
    Während ich meinen Prosecco trank, erzählte er mir von seiner Mutter, die mit siebzehn schwanger geworden war, sich aber geweigert hatte, den Namen des Vaters preiszugeben. Natürlich war ihr eigener Vater - der alte Marescotti, Alessandros Großvater - fuchsteufelswild gewesen. Er warf sie aus dem Haus, woraufhin sie bei einer Schulfreundin ihrer Mutter Unterschlupf fand, Eva Maria Salimbeni. Als Alessandro zur Welt kam, wurde Eva Maria seine Taufpatin. Sie war auch diejenige, die darauf bestand, dass der Junge auf den traditionellen Familiennamen getauft wurde, Romeo Alessandro Marescotti, obwohl sie wusste, dass der alte Marescotti vor Wut schäumen würde, wenn ein Bastard seinen Namen trug.
    1977 überzeugte Alessandros Großmutter seinen Großvater schließlich, ihrer

Weitere Kostenlose Bücher