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Julia

Julia

Titel: Julia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Fortier
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ja richtig süß von ihr, dass sie so eifersüchtig auf ihn reagierte - falls ich das richtig interpretierte. Sie hatte es zwar nie explizit gesagt, aber ich hatte ihr deutlich angemerkt, wie enttäuscht sie gewesen war, weil ich nicht nach Montepulciano mitkommen wollte, um mich gemeinsam mit ihr auf die Suche nach Moms Haus zu begeben.
    Erst jetzt, als mich ein Anflug von schlechtem Gewissen aus meinem beschwingten Tagtraum auftauchen ließ, registrierte ich den leichten Geruch nach Rauch - oder Räucherstäbchen? - in der Luft. Ich war mir nicht sicher, ob mein Zimmer vorhin auch schon danach gerochen hatte. Als ich in meinem feuchten Kimono auf den Balkon hinaustrat, um ein wenig frische Luft zu schnappen, kam ich gerade noch rechtzeitig, um die Sonne in einem Farbenrausch aus Gold und Blutrot hinter fernen Bergen versinken zu sehen. Rundherum nahm der Himmel langsam dunklere Blautöne an. Nun, da das Tageslicht schwand, hing bereits ein Hauch von Tau in der Luft, und mit ihm die Verheißung all der Gerüche und Leidenschaften, aber auch all der gespenstischen Schauder der Nacht.
    Als ich schließlich wieder in mein Zimmer hineinging und eine Lampe anschaltete, stellte ich fest, dass auf meinem Bett ein Kleid ausgebreitet lag und daneben ein handgeschriebener Zettel mit der Nachricht: Tragen Sie das auf dem Fest. Ungläubig hob ich es hoch. Nicht genug, dass Eva Maria mir erneut vorschrieb, was ich anzuziehen hatte, nein, diesmal legte sie es auch noch darauf an, mich lächerlich zu machen. Es handelte sich nämlich um ein bodenlanges, dunkelrotes Samtkleid mit einem strengen eckigen Ausschnitt und langen Ärmeln, die nach unten immer weiter wurden. Janice hätte es den letzten Schrei für Untote genannt und mit einem verächtlichen Lachen zur Seite geworfen. Ich war sehr versucht, dasselbe zu tun.
    Als ich dann jedoch mein eigenes Kleid herausholte und die beiden verglich, kam mir in den Sinn, dass ich womöglich im Begriff war, den größten Fauxpas meiner Karriere zu begehen, indem ich an diesem ganz besonderen Abend in meinem kleinen Schwarzen die Treppe hinunterhuschte. Trotz Eva Marias Hang zu gewagten Dekolletes und noch gewagteren Kommentaren war es durchaus möglich, dass sie an diesem Abend eine durch und durch prüde Gästeschar bewirtete, die mich nach meinen Spaghettiträgern beurteilen und für mangelhaft befinden würde.
    Nachdem ich also brav Eva Marias mittelalterliches Outfit angezogen und zusätzlich auch noch versucht hatte, mein Haar zu so etwas wie einer festlichen Frisur aufzutürmen, blieb ich einen Moment an meiner Tür stehen und lauschte den Geräuschen der unten eintreffenden Gäste. Ich hörte Lachen und Musik. Gelegentlich knallte ein Korken, während meine Gastgeberin nicht nur liebe Freunde und Verwandte, sondern auch liebe Geistliche und Adlige begrüßte. Da ich nicht sicher war, ob ich genug Rückgrat besaß, um mich ganz allein in dieses illustre Getümmel zu stürzen, schlich ich auf Zehenspitzen den Gang entlang, um verstohlen an Alessandros Tür zu klopfen. Aber er war nicht da. Genau in dem Moment, als ich den Arm ausstreckte, um herauszufinden, ob die Tür abgeschlossen war, legte sich eine Hand wie eine Klaue auf meine Schulter.
    »Giulietta!« Eva Maria hatte eine höchst befremdliche Art, sich lautlos anzuschleichen. »Sind Sie bereit?«
    Mit einem erschrockenen Keuchen fuhr ich herum. Es war mir peinlich, dass sie mich vor Alessandros Tür ertappt hatte, wo ich fast schon im Begriff gewesen war, in Abwesenheit ihres Patensohns dessen Zimmer zu betreten. »Ich suche Alessandro!«, stieß ich hervor. Es schockierte mich, sie so dicht hinter mir stehen zu sehen - noch dazu um einiges größer, als ich sie in Erinnerung gehabt hatte. Sie trug ein goldenes Diadem und war - selbst für ihre Verhältnisse - extrem dramatisch geschminkt.
    »Der musste noch etwas erledigen«, meinte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Er ist bestimmt bald zurück. Kommen Sie ...«
    Wenn ich vielleicht für einen Moment mit dem Gedanken gespielt hatte, dass ich in meinem Aufzug wie die Heldin eines Bühnenstücks aussah, wurde mir spätestens jetzt klar, dass ich bestenfalls eine Nebenrolle spielte. In einen Traum aus goldenem Taft gehüllt, leuchtete Eva Maria heller als jede Sonne. Während wir nun gemeinsam die breite Treppe hinunterstolzierten - wobei sie mit einer Hand fest meinen Ellbogen umklammert hielt -, konnten die unten versammelten Gäste gar nicht anders, als ihr die

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