Julia
für meine Heiratspläne Euren Segen verwehrt ...«
Comandante Marescotti hob eine behandschuhte Hand, um seinen Sohn davon abzuhalten, Worte auszusprechen, die nie mehr ungesagt gemacht werden konnten. »Drohe mir nicht mit Maßnahmen, die dich härter träfen als mich. Und erspare mir in Zukunft derart kindisches Verhalten, sonst muss ich dir auch noch die Erlaubnis entziehen, beim Palio mitzureiten. Sogar die Spiele der Männer - nein, vor allem die Spiele - erfordern männliche Manieren. Ebenso verhält es sich mit der Ehe. Ich habe dich bisher mit keiner Frau vermählt ...«
»Allein schon dafür liebe ich meinen Vater!«
»... weil ich die Entwicklung deines Charakters von frühester Kindheit an verfolgt habe. Wäre ich ein böser Mann, der irgendeinen Feind zu bestrafen hätte, dann wäre ich vielleicht auf die Idee verfallen, ihm seine einzige Tochter zu rauben und dich Würmerspeis aus ihrem Herzen machen zu lassen. Aber so ein Mann bin ich nicht. Ich habe mit großer Geduld darauf gewartet, dass du eines Tages dein unbeständiges Wesen ablegen und dich damit begnügen würdest, jeweils nur einer Frau den Hof zu machen.«
Romeo wirkte völlig verdattert. Trotzdem spürte er den Zaubertrank der Liebe noch immer süß auf seiner Zunge, so dass er ein Lächeln nicht lange unterdrücken konnte. Seine Freude riss sich los wie ein ungestümes Fohlen und galoppierte auf staksigen Beinen über sein Gesicht. »Aber Vater, ich bin nun so weit!«, verkündete er aufgeregt. »Meine wahre Natur ist die Beständigkeit. Ich werde bis ans Ende meiner Tage nie wieder eine andere Frau ansehen, oder doch, ansehen werde ich schon welche, aber sie werden mir wie Stühle oder Tische vorkommen. Was natürlich nicht heißen soll, dass ich vorhabe, auf ihnen zu sitzen oder von ihnen zu essen, nein, ich meine das nur in dem Sinn, dass sie wie Möbel für mich sein werden. Oder vielleicht sollte ich lieber sagen, dass sie sich zu ihr verhalten wie der Mond zur Sonne ...«
»Vergleiche sie nicht mit der Sonne«, warnte ihn Comandante Marescotti, während er zu der Strohpuppe hinüberging, um seine Pfeile wieder einzusammeln. »Schließlich hast du immer die Gesellschaft des Mondes vorgezogen.«
»Weil ich in ewiger Nacht lebte! Natürlich muss ein armer Wicht, der die Sonne noch nie gesehen hat, den Mond für das Höchste halten. Doch für mich ist der Morgen angebrochen, Vater, geschmückt mit dem Gold und dem Rot der Ehe, und damit auch die Morgendämmerung meiner Seele!«
»Aber die Sonne geht jeden Abend unter«, gab Comandante Marescotti zu bedenken.
»Und ich werde mit ihr zu Bett gehen« - Romeo presste eine Hand voller Pfeile an sein Herz - »und die Dunkelheit den Eulen und Nachtigallen überlassen ! Bei Tageslicht werde ich fleißig sein und es nicht mehr an gesundem Schlaf fehlen lassen.«
»Was die dunklen Stunden betrifft, solltest du besser keine Versprechen abgeben«, meinte Comandante Marescotti, der seinem Sohn nun endlich eine Hand auf die Schulter legte. »Denn wenn deine Frau nur halb so wunderbar ist, wie du sie beschrieben hast, dann wirst du auch nachts fleißig sein und wenig schlafen.«
IV.I
Und treffen wir, so gibt es sicher Zank:
Denn bei der Hitze tobt das tolle Blut
Ich befand mich wieder in meinem Schloss der flüsternden Geister. Wie immer ließ mich der Traum einen Saal nach dem anderen durchschreiten und überall nach den Menschen Ausschau halten, von denen ich wusste, dass sie dort genauso gefangen waren wie ich. Neu war dieses Mal, dass die vergoldeten Türen aufschwangen, ehe ich sie auch nur berührte. Es kam mir vor, als wäre die Luft voller unsichtbarer Hände, die mir den Weg wiesen und mich voranzogen. Ich ging immer weiter, durch lange Gänge und verlassene Ballsäle, und drang in bis dahin unentdeckte Teile des Schlosses vor, bis ich schließlich auf eine große, massive Tür stieß. War das vielleicht der Weg nach draußen?
Ich betrachtete die schweren Eisenbeschläge und streckte die Hand nach dem Riegel aus, doch noch ehe ich ihn berührt hatte, entriegelte sich die Tür von selbst und schwang weit auf. Dahinter gähnte eine tiefe, schwarze Leere.
Ich blieb an der Schwelle stehen, kniff die Augen zusammen und versuchte verzweifelt, irgendetwas auszumachen, das mir verriet, ob ich tatsächlich die Welt draußen vor mir hatte oder nur einen weiteren Raum.
Während ich blind und blinzelnd dort stand, wehte mir aus der Dunkelheit ein eisiger Wind entgegen. Er wand sich
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