Julians süßes Blut (German Edition)
lästig, daß er nur mit einer Hand arbeiten konnte. Plötzlich tippte ihm jemand auf die Schulter. Erschrocken drehte Julian sich um. Ein hagerer Mann mit dichtem blonden Haar und einer kleinen, runden Brille stand vor ihm. Er machte einen nervösen, aber freundlichen Eindruck. Seine Arme schienen zu lang, trotz seiner beachtlichen Größe.
»Entschuldigung, bist du Julian Melkovic?«
Julian nickte eingeschüchtert. Der Mann hielt ihm seine schlanke Hand entgegen, die er automatisch ergriff. Sie war sehr warm, als hätte der Mann Fieber.
»René Berkeley ist mein Name. Ich soll dich abholen. – Hast du noch mehr Gepäck?«
Julian schüttelte den Kopf. »Nein, nur den Koffer hier.« Sollte er wirklich mit diesem Mann mitfahren? Aber Berkeley nahm schon seinen Koffer und rollte davon. Julian humpelte hinterher. Als Berkeley das sah, verlangsamte er seine Schritte etwas.
»Oh, Entschuldigung, ich wußte nicht, daß du noch nicht wieder laufen kannst.«
»Doch, geht schon«, murmelte Julian und bemühte sich Schritt zu halten. Er hatte keine Ahnung, wie er aus dem Flughafen-Gebäude heraus gekommen war, doch plötzlich standen sie im Freien.
»Dort drüben habe ich geparkt«, sagte Berkeley und deutete in Richtung Parkplatz. »Hattest du einen angenehmen Flug?«
»Einen sehr aufschlußreichen«, sagte Julian und ignorierte den erstaunten Blick Berkeleys.
Er war nicht überrascht, als Berkeley zielsicher auf eine auffällige schwarze Mercedes Limousine zusteuerte und seinen Koffer einlud. Er hatte das Gefühl, daß ihn jetzt nichts mehr aus der Ruhe bringen konnte. Was konnte merkwürdiger oder erstaunlicher sein, als das Zusammentreffen mit Vampiren?
Berkeley hielt ihm die Beifahrertür auf und half ihm beim Einsteigen. Julian hatte noch nie zuvor in so einem Auto gesessen. Er kam sich vor, wie in einem Flugzeug-Cockpit. Wieder spürte er einen brennenden Schmerz in seiner Hand. Etwas hilflos, da ihm der Schmerz zunächst den Atem raubte, grabbelte er in seinem Rucksack herum, bis er schließlich die Tabletten gefunden hatte. Er nahm wieder zwei und schluckte sie trocken. Fies blieben sie in seiner Kehle kleben, und es schien endlos zu dauern, bis er sie schließlich nach unten gewürgt hatte. Berkeley beobachtete ihn stumm, wandte dann seinen Blick wieder zur Straße.
So fuhren sie eine ganze Weile, bis sie schließlich in den inneren Bereich Londons kamen. Julian war irritiert aufgrund des Linksverkehrs. Alles sah so anders aus, als in New York, so – englisch. Er freute sich schon darauf die Stadt kennenzulernen, sich alles genau anzusehen. Den Tower, die Wachablösung, den Palace, Westminster, Trafalgar Square – alles eben.
Er war noch nie zuvor in Europa gewesen.
René Berkeley hielt vor einem großen schmiedeeisernen Tor, drückte den Knopf der Fernbedienung, und das eindrucksvolle Tor öffnete sich knarrend. Sie fuhren über einen Kiesweg bis zum Haus. Dieses Haus war eine Pracht. Es war wundervoll. Mit griechischen Säulen vor dem Eingang und einem penibel gepflegten Garten. Mit schmiedeeisernen Balkonen und riesigen Bäumen. Wie mochte erst der hintere Teil des Gartens aussehen?
Berkeley nahm den Koffer und geleitete Julian in die Villa. Er war erschlagen von so viel Reichtum und Schönheit. Der dunkelrote Teppich unter seinen Füßen war so weich, daß er unter seinem Gewicht nachgab. Er stand in der riesigen Eingangshalle und starrte nach oben. Die Treppe, die von links und von rechts in die obere Etage führte, war ebenfalls mit dunkelrotem Teppich ausgelegt. An der Wand rechts von ihm hing ein wunderschönes Ölgemälde. Es zeigte einen attraktiven jungen Mann, in der Kleidung des 18. Jahrhunderts, mit unglaublich blauen Augen. Julian überlegte gerade, ob der Maler dieses Gemäldes die Farbe der Augen wohl geschönt hatte, als Berkeley sagte: »Das ist ein Bild von dem Besitzer dieses Hauses, Alexander de Dahomey. Du wirst ihn heute abend kennenlernen.«
Julian starrte Berkeley an. Nein, nichts konnte ihn aus der Fassung bringen. Alexander, war das der Alex, der versucht hatte, seine Mutter umzubringen?
Julian gähnte hinter vorgehaltener Hand.
»Komm mit nach oben, Julian. Ich zeig’ dir dein Zimmer. Da kannst du dich dann ausruhen bis...«
»Bis etwa kurz vor neun?« unterbrach Julian ihn.
Wieder sah Berkeley ihn erstaunt an. »Ja, bis die Sonne untergeht«, sagte er dann leise lächelnd.
Julian schleppte sich etwas schwerfällig nach oben. Er war froh, daß Berkeley den Koffer
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