Julias Geheimnis
Beach in all seinen herrlichen Schattierungen darstellen. Die Wärme der hohen Sandsteinklippen, die wie aus Ziegelsteinen gemauert wirkten, die Anhöhe aus winzigen Kieseln, die Butterblumen, mit denen das Gras gesprenkelt war, und das Meer – all das wollte er auf Leinwand bannen. Die Ausstellung am Ende des Sommers stand bevor, und er wollte so viele Arbeiten wie möglich zeigen. Er hatte sich eine Ausstellungsfläche im Salt House an der Pride Bay reserviert. Das Salt House war eine weitläufige Scheune mit hohem Dach am Meer, die perfekt sein würde, um seine Arbeit zu präsentieren. Es spielte für ihn fast keine Rolle, wie viel er verkaufte – obwohl die Verkäufe vermutlich gut sein würden. Am meisten, so wurde ihm klar, sehnte er sich nach Anerkennung.
»Es geht ihm nicht gut, Sohn.«
Andrés hielt den Atem an. »Was fehlt ihm?« Seine Stimme klang hart und rau.
»Wir sind uns nicht sicher.«
»Ja, dann …« Er stieß die Luft aus. Es würde nichts sein. Seine Mutter machte sich grundlos Sorgen.
Andrés hatte einmal in seinem Leben Anerkennung erfahren – von seinem Vater. Der Junge kann malen … Aber sie hatte ihm dann doch nur den Hass und Groll des Mannes eingetragen, der ihn doch lieben sollte. Denn sein eigenes Kind sollte man doch automatisch lieben, oder? Sí, por supuesto . Ja, natürlich sollte man das. Also. Dieses Mal suchte Andrés nach einer anderen Art von Anerkennung.
»Er magert ab, Andrés. Er hat seine ganze Energie verloren. Er hustet. Und wie er hustet.«
»Er raucht zu viel.« Das sagte sie selbst oft genug.
»Er hustet Blut.«
»War er beim Arzt?« Andrés ließ seine Stimme gleichgültig klingen. Aber jetzt drehte sich ihm der Kopf. Blut zu husten, war nicht gut. »Er muss sich untersuchen lassen.«
»Das sage ich ihm ja ständig.« Sie klang erschöpft.
Andrés seufzte. Abgesehen von allem anderen war sein Vater dickköpfig. »Wenn du dir Sorgen machst, bestell den Arzt nach Hause, Mama«, sagte er. »Dann bleibt ihm nichts anderes übrig. Sag ihm, dass du ihm kein Essen mehr kochst, bevor er sich nicht untersuchen lässt.« Sei hart zu ihm, Frau, sei um Gottes willen so stark, wie du nie vorher gewesen bist, dachte er. Behaupte dich gegen den Mann .
»Er hat auch keinen Appetit mehr«, sagte sie.
»Du musst ihn zum Arzt schicken, Mama.« Andrés blieb eisern.
»Gut, mein Sohn.«
Andrés nickte. »Ich rufe dich in ein paar Tagen an, um zu hören, was dabei herausgekommen ist.«
Ein Schweigen trat ein. Was erwartete sie denn noch? Er hatte sich von seiner Familie abgenabelt, weil er keine andere Wahl gehabt hatte. Aber er wusste, was sie wollte.
Sie schluchzte. »Ach, Andrés. Ich wünschte, du wärest hier.« Mit einem Mal sah er sie vor sich, wie sie den Telefonhörer fest ans Ohr drückte. Das dunkle Haar war aus dem Gesicht gekämmt. Es war siebzehn Jahre her, und doch konnte er sie sich vorstellen, als hätte er sie erst gestern gesehen.
»Seinetwegen?«, verlangte er zu wissen. Es tat weh, ihr den Wunsch abzuschlagen. Aber wollte sie deshalb, dass er kam? Wegen eines Mannes, der ihn hasste. Sie hatte immer gesagt, dass sich nichts geändert hätte, oder? Was war dann jetzt anders? Sein Vater war krank, und Andrés sollte auf die Insel gelaufen kommen wie ein Welpe mit eingekniffenem Schwanz? Als hätte Enrique Marín nichts getan?
»Tu es für uns alle«, flüsterte sie.
Andrés seufzte. Es war sinnlos, dass sie sich eine Versöhnung zwischen Vater und Sohn wünschte. Es war sinnlos so zu tun, als wäre auch nur ein Funken Liebe zwischen ihnen. Denn da war nichts. Die Chance war lange vertan. »Ich kann nicht zurück«, sagte er. »Das verstehst du nicht.«
»Doch, ich verstehe, mein Sohn.«
Nein, sie begriff nichts. Sein Vater hatte ihm befohlen, nie wieder über ihre Türschwelle zu treten, und nur sein Vater konnte ihn bitten, nach Hause zu kommen. Und das würde er niemals tun, da war sich Andrés sicher.
»Vielleicht ist es ja nicht so schlimm, wie du glaubst«, sagteer. Aber was glaubte er selbst? Andrés wollte nicht darüber nachdenken. Husten. Blut. Verlust von Kraft und Appetit. Er glaubte zu wissen, was seine Mutter dachte. »Lass den Arzt kommen, Mama«, wiederholte er. »Dann wisst ihr Bescheid.« Dann würden sie alle es wissen.
Nachdem sie sich verabschiedet hatten, versuchte Andrés, sich wieder auf seine Malerei zu konzentrieren. Auf seiner Palette mischte er ein paar Farben. Dann betrachtete er die Fotos, die er in
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