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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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das kleinste bisschen. Nichts davon bedeutete ihr etwas. Weder die Partys noch die Gemälde oder die Ausstellungen.« Enrique ließ die Arme an seinen Flanken herabsinken. »Geld, Ruhm   – nichts davon machte ihr Eindruck. Für sie war es einfach nur ein Job. Sie saß mir Modell, um genug Geld zu verdienen, damit sie sich etwas zu essen kaufen konnte. Nicht mehr und nicht weniger.«
    »So sollte es vielleicht auch sein«, versetzte Andrés trocken.
    Enrique warf ihm einen scharfen Blick zu. »Sie war allerdings ein verdammt gutes Modell.«
    »Das sehe ich.«
    Andrés hörte an der Tür ein Geräusch und sah hin. Es war seine Mutter. »Enrique   …«, begann sie.
    Sein Vater ignorierte sie. Stattdessen ging er zu Andrés und fasste ihn an beiden Ellbogen. Sein Griff war fest. »Wie ich schon sagte, habe ich dir etwas zu erklären, Junge.«
    Andrés spürte den Druck seiner Finger. Er sah seinem Vater in die Augen. Es war ein seltsames Gefühl. Ihm wurde klar, wie selten er sich bisher in dieser Lage befunden hatte, wie selten er seinem Vater in die Augen gesehen und wie selten Enrique ihn berührt hatte.
    »Was?« Er hielt seinem harten Blick stand. »Was musst du mir sagen?« Nichts konnte so schlimm sein wie das, was er sich vorgestellt hatte. Wenn Ruby ihm jetzt verzeihen konnte, war wenigstens der Weg für sie beide frei   …
    »Du musst dich vorbereiten, Junge«, sagte Enrique. »Du musst dich auf die Wahrheit gefasst machen.«
    Die Wahrheit? Wovon redete er. Andrés runzelte die Stirn und sah zu seiner Mutter. »Mama?«
    Sie hatte Tränen in den Augen.
    »Bitte wein doch nicht, Mama.« Um was ging es hier?
    »Enrique   …« Seine Mutter trat auf ihren Mann zu und zog an seinem Arm. »Nicht.«
    Er schüttelte sie ab. »Es ist die Wahrheit, Reyna. Warum soll er sie nicht hören? Er muss es erfahren. Begreifst du denn nicht einmal jetzt, wie falsch es wäre, wenn er sie nicht erfährt?«
    Was sollte er erfahren? Wovon sprachen die beiden? Andrés spürte, wie seine Mutter ihm den Arm um die Taille legte. Sein Vater hielt seine Arme immer noch fest im Griff. Wie ein verdammter Schraubstock.
    »Die Frage zu Laura, auf die du eine Antwort wolltest«, sagte sein Vater.
    Andrés warf seiner Mutter einen Blick zu, doch ihr Gesicht war ausdruckslos. »Was?« Er spürte Panik in sich aufsteigen.
    »Es wäre für dich nicht von Bedeutung gewesen«, erklärte sein Vater.
    »Was meinst du?« Warum sagte er es nicht einfach?
    »Es hätte für dich und deine Ruby keine Bedeutung gehabt.«
    »Enrique   …« Seine Mutter klang traurig und resigniert.
    Enrique ließ Andrés los und legte einen Arm um seine Frau. »Es ist Zeit, Reyna«, sagte er. »Das musst du akzeptieren. Es ist so weit.«
    »Wie weit?« So langsam hatte Andrés die Nase voll davon. »Um Himmels willen   …«
    »Auch für mich ist es so weit   – meine Zeit geht zu Ende.« Enrique strich ihr übers Haar. »Ich werde nicht sterben, ohne ihm zu sagen, was er wissen muss.«
    Andrés spürte, dass er flach atmete. Er wartete.
    »Es ist wunderbar für einen Künstler, wenn er anfängt, seine Arbeit zu verkaufen.« Jetzt klang Enrique beinahe philosophisch. Er ließ die beiden anderen am Fenster stehen und ging langsam auf die andere Seite des Ateliers. »Die eigene Frau steht hinter einem.« Er wies auf Andrés’ Mutter, die nickte. »Man führt ein gutes Leben, verstehst du?«
    Andrés beobachtete ihn einfach. Er hätte in diesem Moment kein einziges Wort hervorbringen können.
    »Aber wozu das alles, hmmm, wenn man niemanden hat, dem man es hinterlassen kann?« Seine Stimme klang fast so kräftig wie in Andrés’ Erinnerungen an die alten Zeiten, als er sie so häufig im Zorn erhoben hatte.
    »Was willst du damit sagen?« Andrés versuchte, die ungute Vorahnung, die in ihm aufstieg, zu unterdrücken.
    »Ich hatte Kontakte.« Enrique steckte die Hände in die Taschen. Jetzt schien er auch seine alte, arrogante Haltung wiedergefunden zu haben. »Ich hatte Kontakte hier und auf dem Festland, die mich in Kontakt mit den richtigen Leuten brachten.« Er zuckte die Achseln. »Ich habe nie verborgen, wer ich bin. Einige nennen mich sogar eine nationale Institution.« Er prahlte immer noch gerne, genau wie früher.
    Er mochte einen Teil seines alten Feuers verloren haben, dachte Andrés, aber sein Ego hatte er nicht eingebüßt. Es stimmte ja, dass er viel für diese Insel getan hatte, vielleicht sogar für ganz Spanien. Aber was hatte das mit Andrés zu

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