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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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erzählt?
    »Sieh mal.« Mels Stimme klang fest. »Es ist doch sehr gut denkbar, dass du seit dem Arztbesuch, seit diesen Untersuchungen, was immer das war   …« Ungeduldig wedelte sie mit der Hand und deutete mit einem langen, manikürten Finger auf den Brief, den Ruby noch immer in der Hand hielt. »Dass du in der Zwischenzeit gezeugt wurdest. Und als die Praxis diesen Brief abgeschickt hat, war deine Mutter schon längst schwanger. Ganz einfach.«
    »Ja, natürlich. Du hast recht.« Ruby spürte, wie die Spannung langsam von ihr abfiel. Sie lächelte. Natürlich war das möglich, es war sogar das Wahrscheinliche. »Danke, Mel.«
    Mel zuckte die Achseln. »Deine Mutter hat sich dieser Fruchtbarkeitsbehandlung gar nicht mehr unterzogen, weil sie keine mehr brauchte.«
    »Und die Fotos?«, murmelte Ruby, mehr an sich selbst gerichtet.
    »Haben nichts mit dir zu tun.« Mel fasste sie an den Schultern. »Glaub mir. Sie gehören jemand anderem. Anders kann es gar nicht sein.«
    »Okay.«
    »Was ist, rufst du jetzt den Makler an? Das ist ein hübsches Haus   – jedenfalls, solange es nicht ins Meer fällt.«
    Ruby trat näher an die niedrige Steinmauer heran, die das Cottage umgab. Bisher hatte sie allen Widrigkeiten getrotzt. Der Hügel aus Kieselsteinen bildete einen Schutzwall gegen das Meer, aber wer wusste schon, wie lange noch? Sie legte die Hände auf das Holztor. Das Haus war hübsch, aber es war nicht das Cottage selbst, das sie anzog, sondern das Bild davon aus ihrer Kindheit. Der Blick ihrer Kindheit, den sie so verzweifelt zurückzuholen versuchte. Allein von der Erinnerung an diesen Anblick wurde Ruby schon ganz schwindlig.
    »Warum nicht?« Irgendwo musste sie schließlich wohnen. Sie zog das Handy aus der Tasche, tippte die Nummer ein. »Ich möchte mir gern das Küstenwachen-Cottage in Pride Bay ansehen«, erklärte sie der jungen Frau, die den Anruf entgegennahm. »Wenn möglich sofort. Ich stehe direkt davor.«
    Wie sich herausstellte, war im Cottage die Anordnung der Räume auf den Kopf gestellt. Das Wohnzimmer lag im ersten Stock.
    »Wegen der Aussicht«, erklärte die junge Maklerin unnötigerweise. Sie trug hochhackige Schuhe, einen schwarzen, eng anliegenden Blazer und einen Bleistiftrock und wirkte gelangweilt, als hätte sie das Gleiche in den letzten Wochen schon häufiger erzählt.
    Ruby trat ans Fenster. »Natürlich.« Von hier aus konnte sie über die Kieselsteine des Strandes hinweg auf den ruhigen,schimmernden Ärmelkanal blicken. In der Ferne sah sie die gewellte Linie eines blassen violetten Horizonts. Das Gras auf dem Kamm der Klippe war mit gelben Butterblumen und lilafarbenen Grasnelken durchsetzt. Die Pride Bay und ihre Eltern   … Versuchte sie, die beiden auf irgendeinem Weg wieder lebendig werden zu lassen? War das der Grund? An der Pride Bay hatte sie immer die bunte Mischung geliebt   – der Strand wusste nicht so recht, ob er schäbig oder vornehm, elegant oder verlottert, kunstbeflissen oder unkonventionell sein sollte. Dieser Ort war ihre Vergangenheit   – aber konnte er auch ihre Zukunft werden?
    Die Küche sah ziemlich heruntergekommen aus. Der Ofen stammte wahrscheinlich aus den 1940er-Jahren und war dunkel vor Schmutz und Fett. Das Linoleum war rissig und die Emaille des Spülbeckens angeschlagen. Mel sah Ruby an und zog eine vielsagende Grimasse. Ruby ignorierte sie.
    »Natürlich müsste hier modernisiert werden«, erklärte die Maklerin.
    »Natürlich«, wiederholte Mel.
    Okay, hier sah es nicht aus wie im Märchen, aber das Haus zu renovieren, würde kein allzu großes Problem sein. So schwer konnte es nicht sein, einen guten Handwerker zu finden. Und finanziell   … Sie konnte das Haus ihrer Eltern zum Verkauf anbieten und nötigenfalls irgendwo zur Miete wohnen, bis das Cottage fertig war. Das wäre eine Möglichkeit. »Wann ist die Auktion?«, fragte sie.
    Die Maklerin schaute in ihre Akte. »Donnerstag in einer Woche. Fünfzehn Uhr.«
    »Gut.« Dorset hätte ohne ihre Eltern unvorstellbar sein sollen. Und doch war sie hier. Aber ohne ihre Eltern existierte kein vorgezeichneter Weg mehr. Ruby war, als fahre sieauf einem Kinderrad ohne Stützräder. Sie musste sich auf etwas konzentrieren, sonst würde sie fallen.
    »Wäre es nicht einfacher, wenn du irgendwo wohnen würdest, wo du nicht erst renovieren musst?«, erkundigte sich Mel. »Willst du dir wirklich diese ganzen Umstände machen?«
    Ruby überlegte. Vielleicht brauchte sie genau das   – ein

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