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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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durcheinander. Aber wir waren ja auch gerade am Strand. Und   …«
    »Welche Haarfarbe habe ich?« Ruby fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Sie hatte es noch nie färben oder strähnen müssen.
    Mel wirkte verwirrt. »Blond?«
    »Exakt.« Ruby zeigte mit dem Finger auf die Fotos in dem Album. »Sieh sie dir an. Sie haben beide dunkles Haar. Und braune Augen.« Sie hörte, dass ihre Stimme schrill klang. Warum sah Mel es denn nicht?
    »Ach, Ruby.« Mel umarmte sie. »Es gibt viele Kinder, die ihren Eltern überhaupt nicht ähnlich sehen.«
    »Komm schon, Mel.« Ruby hatte die Haarfarbe ihrer Mutter genau vor Augen, so genau, als säße sie ihnen direkt gegenüber. Ihre Haare waren haselnussbraun. Und   … »Schau dir meine Augen an, Mel.«
    »Blau«, sagte sie.
    »Genau.«
    Mel runzelte die Stirn. »Aber das muss dir doch schon vor Ewigkeiten aufgefallen sein. Vielleicht bist du irgendeinem alten Onkel wie aus dem Gesicht geschnitten oder so etwas. Hast du denn nie mit deinen Eltern darüber gesprochen?«
    »Doch, das habe ich.« Ihre Mutter hatte ihr früher immer erklärt, dass die Erbanlagen bei ihr wohl eine Generation übersprungen hätten. Als Ruby dann älter war, hatte sie nachgebohrt. Vivien hatte weiter ausgeholt und erklärt, ihre Großmutter sei blond und blauäugig gewesen, und Rubymüsse ihre Gene haben. Aber sie hatte nie länger darüber reden wollen. Und es war schließlich auch nicht so wichtig gewesen. Aber jetzt   …
    »Ruby.« Mel nahm ihre Hand. »Lass dir davon bitte nicht die Erinnerungen an sie verderben.«
    Das wollte Ruby nicht. Für sich allein genommen bedeutete der Umstand, dass sie ihren Eltern gar nicht ähnlich sah, nicht unbedingt etwas. Aber zusammen mit den Gegenständen, die sie in der Schuhschachtel gefunden hatte, und dem Brief über die Unfruchtbarkeit ihrer Eltern   … Wie konnte sie verhindern, dass sich Fragen einschlichen und sie an allem zweifeln ließen, an was sie zuvor geglaubt hatte?
    »Ich finde, du übertreibst maßlos«, meinte Mel. »Kannst du dir ernsthaft vorstellen, dass deine Eltern   …«
    »Nein.« Das konnte sie nicht. Das wollte sie nicht. Ein ganz seltsames Gefühl überkam sie. Sie fühlte sich, als hätte man sie ihrer Identität beraubt, als sei ihre ganze Existenz in Frage gestellt. »Aber   …« Ihr war etwas eingefallen. »Babyfotos«, sagte sie. Sie zog das Fotoalbum zu sich heran.
    »Babyfotos?«, wiederholte Mel.
    Rubys Kindheit war auf Zelluloid festgehalten worden, und die Bilder waren auf altmodische Art entwickelt worden. Ruby war sehr froh darüber. Denn es war wunderbar, so viele Erinnerungen an diese Jahre, an ihre Familie zu haben. Aber waren sie wirklich komplett?
    Sie blätterte die Seiten um. Die Fotos zeigten Ruby in ihrem Bettchen, Ruby, wie sie über den Boden im Wohnzimmer krabbelte, und Rubys erste unsichere Schritte im Garten zwischen Gras und Gänseblümchen.
    »Wie alt sehe ich da aus?«, fragte sie Mel. Auf dem ersten Foto blickte sie munter drein und lächelte in die Kamera.Blaue Augen. Blonder Haarflaum. Sie hielt Ginger umklammert, ihren Teddy. Als sie sieben gewesen war, hatte sie Ginger irgendwo verloren, und sie hatte ihn nie wiedergefunden.
    Mel legte die Stirn in Falten. »Ein halbes Jahr?«
    »Und wie erklärst du dir das?« Rubys Gedanken rasten; es kam ihr vor, als müsse ihr Kopf explodieren. »Warum gibt es keine Fotos von mir als Neugeborenem?« Sie blätterte wieder zurück. Kein Foto, auf dem sie zwei Monate alt war? Drei? Vier? Nichts. Also waren diese Aufzeichnungen über ihre Kindheit doch nicht so vollständig, wie sie immer geglaubt hatte.
    »Vielleicht hatten sie zu viel mit dir zu tun, um dich zu fotografieren.« Mel legte Ruby liebevoll den Arm um die Schulter. »Weißt du, Liebes, Babys können viel Arbeit machen. Stuart erinnert mich allerdings ständig daran, dass mir die Zeit davonläuft und wir eine Familie gründen sollten, bevor es zu spät ist.« Sekundenlang wirkte sie wehmütig. Ruby wusste, woran sie dachte: an den Hutladen. Der Hutladen war ihr Baby. Und wenn sie ein Kind bekam, würde es nicht mehr so einfach sein, ihn zu betreiben.
    Aber wie konnte man denn zu beschäftigt sein, um Babyfotos zu machen? Machte man so etwas nicht automatisch? Stand das nicht ganz oben auf der Liste, wenn man gerade ein Kind bekommen hatte? Moment mal   … Sie betrachtete erneut die Bilder ihrer Eltern in Cornwall. Bis Ruby sechs Monate alt war, gab es keine weiteren Fotos außer ab und zu

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