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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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nicht die Eröffnung?« Sie bückte sich, um ein Stück grünes Seeglas aufzuheben, das im Laternenlicht, das vom Hügel herabfiel, zwischen den dunklen Steinen glitzerte. Es war uralt, und in die Oberfläche hatte sich der Sand, den es auf seiner Reise eingefangen hatte, eingegraben.
    »Ja, genau.« Er dachte an die Bilder, die er gemalt hatte, an seine Ausstellungsfläche im Salt House. Er hatte das Gefühl, dass das alles eine Million Meilen entfernt war, in einem anderen Leben. Und er dachte an sein Glanzstück, das Bild von den Klippen an Chesil Beach. Der Pfad aus Rubys Kindheit, ihr Traum. Er war froh darüber, dass er beschlossen hatte, es nicht zu verkaufen. Träume sollte man nicht verkaufen. Das Bild sollte bei Ruby ein Zuhause finden, ganz gleich, wo sie sich gerade aufhielt.
    »Du wirst sie verpassen.« Sie wandte sich ihm zu. Ruby trug ein einfaches, cremefarbenes Leinenkleid, und mit ihrem blonden Haar sah sie im Mondschein beinahe ätherisch aus.
    »Das ist es mir wert.« Er berührte ihre Hand. »Ich bin so froh, dass ich dich gefunden habe, Ruby«, sagte er.
    »Und was jetzt?«, wollte sie wissen. »Was hast du jetzt vor? Kommst du mit nach Barcelona? Wirst du versuchen, sie zu finden?«
    Er zog sie in die Arme und hielt sie fest, als wolle er sie nie wieder loslassen. Gott, sie roch so gut. Nach Orangenblüten und dem Sonnenschein von heute. Er wusste, wen sie meinte. Seine leibliche Mutter. Florentina Chávez. Wie mochte ihre Geschichte lauten? Wollte er das wissen? Musste er es erfahren? Wie es wohl für sie gewesen war, ihn wegzugeben, und wie mochte sie heute dazu stehen? Fragte sie sich überhaupt, was aus ihm   …?
    Das war zu viel, um darüber nachzudenken oder es auszusprechen. Andrés schloss die Augen und spürte, wie ihn allesüberschwemmte. Er sehnte sich nach Ruhe. Stille. Frieden. »Noch nicht«, flüsterte er.
    Er war noch nicht so weit, noch nicht bereit, den nächsten Schritt zu tun. Zuerst wollte er seine eigene Familie neu kennenlernen. Er beugte den Kopf zu Ruby hinunter und legte die Hand über ihre, die immer noch das grüne Stück Seeglas festhielt. »Was siehst du?«, flüsterte er.
    Sie schmiegte den Kopf an seinen Hals. Er fühlte ihre Hand in seinem Kreuz. Und mit einem Mal fühlte Andrés sich nicht mehr allein.

49. Kapitel
    S chwester Julia legte ihren Rosenkranz beiseite. Sie machte sich keine Sorgen wegen der Aufgabe, die vor ihr lag, denn sie wusste genau, was sie zu tun hatte. Außerdem vertraute sie vollkommen darauf, dass die junge Frau, die sich ihre Geschichte so aufmerksam und freundlich angehört hatte, ihr helfen würde. Auf praktischer Ebene. Auf spiritueller Ebene hatte sie natürlich ihren Gott. Schwester Julia mochte nicht an Ihn geglaubt haben, als sie vor vielen Jahren die ersten einfachen Gelübde abgelegt hatte. Damals hatte sie nur die ersten Regungen des Trosts gespürt, den der Glaube an Ihn schenken konnte. Doch heute war ihr Glaube unerschütterlich. Im Lauf der Jahre hatte Er ihr so oft geholfen, und jetzt hatte Er ihr endlich Sein Zeichen geschickt. Die Chance auf Wiedergutmachung. Die Gelegenheit, Frieden zu finden.
    Für die Reise zu packen, fiel ihr leicht. Was brauchte sie schon an materiellen Gegenständen? Sehr wenig. Sie hatte gelernt, sich mit wenig zu bescheiden, und sogar, die Einfachheit zu schätzen, die daher rührte, dass man wenig besaß. Wenig zu haben, versetzte einen in die Lage, auf andere Weise reich zu werden, auf Arten, für die Schwester Julia dankbar war.
    Sie öffnete den verbeulten braunen Koffer, mit dem sie damals bei ihrer Verbannung auf die Insel gekommen war. Die persönlichen Gegenstände, die sie in ihrer Schreibtischschublade aufbewahrte, würde sie nicht mitnehmen, obwohles ihr nicht leichtfiel, die Erinnerungsstücke an ihre Familie, die sie in Ehren hielt, zurückzulassen. Abgesehen von ihrer Bibel und ihrem Gebetbuch, die sie jetzt ehrfürchtig in den Koffer legte, brauchte sie eigentlich nur ein Buch. Sie nahm es in die Hand und spürte sein Gewicht in ihrem Herzen, das sich jetzt jubelnd in die Höhe zu schwingen begann. Ihr Namensbuch.
    Es hatte schon jemandem geholfen, nicht wahr? Nicht nur Andrés, sondern auch sein Vater und seine Mutter konnten jetzt Frieden finden. Enrique Marín   … Schwester Julia hatte immer gedacht, dass ihr seine Stimme von irgendwo her bekannt vorkam. An jenem Tag auf dem Platz, als sie zum ersten Mal von dem Skandal gelesen hatte, hatte sie allerdings noch nicht die

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