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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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richtige Verbindung hergestellt.
    Sobald sie in Barcelona landeten, würden sie das Beweisstück   – ihr Buch   – an einen Beamten übergeben, der sie am Flughafen erwarten würde. Dafür hatte Ruby gesorgt. Sie war ein kluges Mädchen, und Schwester Julia empfand höchste Bewunderung für sie. Es war von größter Bedeutung, hatte Ruby gesagt, dass das Buch sobald wie möglich in Sicherheit gebracht wurde, damit sie sich keine Gedanken darüber zu machen brauchten, damit sie den Kopf frei hatten, um sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren: die Geschichte zu erzählen.
    Ach, wie sich Schwester Julia danach sehnte, sich frei zu fühlen   …
    Wie würde sie reagieren, wenn sie die Canales-Klinik wiedersah? Schwester Julia legte ihren Waschbeutel und die frische Unterwäsche, die sie brauchen würde, in den Koffer und klappte den Deckel zu. Es kam nicht auf ihre Gefühle an, ermahnte sie sich streng, sondern darauf, was sie erreichen würden   – für andere, für die Kinder, denen man all das angetan hatte. Die niños robados .
    Doch wie würden die Folgen aussehen? Ruby hatte Schwester Julia davor gewarnt, dass es für sie Konsequenzen haben könnte. Dass sie möglicherweise damit rechnen müsste, vor Gericht gestellt zu werden, dass sie vielleicht, nachdem es vollbracht war, nicht frei sein würde, um hierher auf die Insel zurückzukehren.
    Aber auch darauf kam es kaum an. Sie war alt und hatte nicht mehr lange zu leben. Tatsächlich war sie müde und gern bereit, vor ihren Schöpfer zu treten, sobald sie diese Sache erledigt hatte und ihr Gewissen so rein war, wie es überhaupt noch einmal werden konnte. Sie war mehr als bereit, ihre Last abzulegen, mehr als bereit, das Unrecht, an dem sie beteiligt gewesen war, wiedergutzumachen und endlich den Frieden zu finden, nach dem sie sich so sehr sehnte.
    »Vergessen Sie nicht, Schwester Julia«, hatte Ruby zu ihr gesagt, »dass es dann kein Zurück mehr gibt.«
    Das wollte Schwester Julia auch nicht, wirklich nicht.

50. Kapitel
    G rau und still dämmerte der Tag, an dem Ruby und Schwester Julia nach Barcelona fliegen würden. Ruby und Andrés hatten verabredet, Schwester Julia gegen Mittag im Kloster abzuholen, damit er die beiden zum Flughafen fahren konnte. Ruby freute sich nicht eben darauf. Sie hatte das Gefühl, dass sie genau in dem Moment, in dem sie ihn gefunden   – richtig gefunden   – hatte, schon wieder fortgehen musste. Aber vorher   …
    »Hast du noch Zeit für einen letzten Spaziergang?«, schlug Andrés vor. Er schien instinktiv zu wissen, wohin es sie zog.
    Hand in Hand gingen sie am Strand entlang zu den Felsen am Rand der Bucht, in einem Schweigen, das durch die schweren, grauen Wolken über ihnen und die Stille des Tages noch vertieft zu werden schien. Sie hatten einander so viel gesagt, überlegte Ruby. Abgesehen von dem einen, das am wichtigsten war.
    Doch sie brannte darauf, die Insellandschaft ein letztes Mal in sich aufzunehmen. Sie würde lange davon zehren müssen. Sie konnte kaum glauben, dass sie nur eine Woche hier gewesen war. Schon jetzt kam ihr alles so vertraut vor: Sand, der so fein wie Goldstaub war; corralitos aus dem schwarzen Vulkanstein, der das Herz der Insel bilden musste, und in der Ferne diese sanften, graubraunen Berge mit ihren rostfarbenen Streifen und den Flechten. Andrés’ Landschaft. Aber war sie noch sein Zuhause?
    Sie stiegen die Felsen hinauf. Andrés ging voran. Er wartrittsicher und schien den Weg genau zu kennen. Da erkannte sie, dass er hierher gehörte.
    Sein plötzliches Auftauchen im Kloster; die Umstände seiner Adoption, der Ausdruck in seinen Augen, als er diesen Eintrag in Schwester Julias Namensbuch gesehen hatte   … Es war ein Schock gewesen   – für sie beide. Aber es ergab alles einen Sinn. Die Puzzlestücke passten zusammen. Enrique hatte Ruby ins Kloster geschickt, weil er von dem Namensbuch wusste und ihm sofort klargeworden war, dass die Journalistin in Ruby Schwester Julia in ihrem Entschluss unterstützten konnte, die Wahrheit über die Adoptionen, die sie in der Canales-Klinik miterlebt hatte, ans Licht zu bringen. Und natürlich war Enrique der einzige Mensch, dem Schwester Julia ihre Geschichte erzählt hatte, weil er ihr seine zuerst verraten hatte. Sie hatte gewusst, dass er ebenfalls damit zu tun hatte, dass auch er etwas hatte, für das er um Vergebung betete. Dass er dort gewesen war und Anteil daran gehabt hatte.
    So wie sie alle.
    Sie erreichten den Gipfel der

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