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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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einem Gespräch ertappen würde. Aber andererseits erinnerte sie sich an die Worte ihres Vaters, damals, in den ersten Wochen nach dem Ende des Bürgerkriegs. Er hatte von dem gesprochen, was sie verloren hatten, und darüber, wie es jetzt war. Was war nur los mit ihrem Land? Was sollte aus ihnen allen werden?
    »Und wohin werden die Kinder gebracht?«, flüsterte sie.
    »Sie schicken sie in Waisenhäuser oder religiöse Einrichtungen, die von der Falange oder der Kirche geleitet wurden. Was macht das für einen Unterschied?« Sie nannte zwei dieser Anstalten, beide waren in Katalonien. »Sie werden zu Tausenden geholt, um mit nationalistischem Gedankengut indoktriniert zu werden«, sagte die Frau. »Manche werden sogar adoptiert   – gegen den Willen ihrer Mütter.«
    Adoptiert? Schwester Julia war schockiert. Kinder, deren Eltern noch lebten und immer für sie gesorgt hatten? Und die Kinder wurden ihnen zwangsweise entzogen und adoptiert? Und doch: War das so anders als das, was sie in der Klinik taten? Doch, das war es. Denn die Mütter in der Klinik wollten ihre Babys zur Adoption freigeben. Es war ihre Entscheidung. Viele waren arm und dazu noch unverheiratet. Sie wollten die Kinder nicht großziehen; sie hatten weder denWunsch noch die Mittel dazu. Und wenn Dr. López Druck auf sie ausübte, dann nur, damit sie das Richtige taten. Das war etwas vollkommen anderes.
    Trotzdem   … Warum war die Frau hergekommen? »Sie müssen gehen«, sagte sie zu ihr und komplimentierte sie nach draußen. Sie hörte, wie Dr. López in seinem Büro mit jemandem sprach. Gott sei Dank hatte er nichts von all dem mitbekommen.
    Hier in der Klinik ging es nicht um Politik. Dr. López war kein politisch denkender Mann. Er war nur daran interessiert, Menschen zu helfen und das durchzusetzen, was er als Gottes Willen betrachtete. Seine Methoden mochten manchmal zweifelhaft sein, doch seine Beweggründe waren sicher lauter. Dennoch dachte Schwester Julia darüber nach, was die Frau ihr erzählt hatte. Wurden auch diese Kindesentführungen im Namen Gottes durchgeführt?
    Einige Stunden später kam es auf der Geburtsstation zu einem kleinen Notfall, und Schwester Julia musste Dr. López holen, der ohnehin hätte anwesend sein sollen. Es stand Schwester Julia nicht zu, darüber zu urteilen, aber die Frau hatte offensichtlich Probleme und große Schmerzen. Das Baby lag falsch herum. Die Hebamme tat ihr Bestes, aber es lag noch eine weitere Frau in den Wehen. Der Doktor wurde hier dringend gebraucht.
    Schwester Julia war so aufgeregt, dass sie in sein Sprechzimmer stürzte, ohne anzuklopfen. Es war das erste Mal überhaupt, dass sie das tat.
    Sie blieb wie angewurzelt stehen. Was war denn da los?
    Eine Frau stand neben der schmalen Liege, auf der der Arzt sonst seine Untersuchungen durchführte. Dabei wargar keine Sprechzeit, und es war keine Schwester anwesend.
    Schwester Julia erkannte die Frau jedoch als Stammpatientin. Sie gehörte zu den Frauen, die seit einigen Monaten regelmäßig in die Klinik kamen. Sie war eine der Frauen, bei deren Untersuchung Schwester Julia nie selbst dabei gewesen war. Und nun sah sie auch, warum, obwohl sie ihren Augen kaum traute.
    »Schwester Julia!«, donnerte Dr. López. »Was in Gottes Namen fällt Ihnen ein? Sie kennen doch die Regeln, und dazu gehört, dass Sie klopfen, bevor Sie hereinkommen, und dass Sie warten, bis ich Sie zum Eintreten auffordere.«
    Rasch trat die Frau hinter einen Wandschirm, aber Schwester Julia hatte noch gesehen, was der Arzt tat. Er war dabei gewesen, eine Art Polster an ihrer Unterwäsche zu befestigen. Zumindest hatte es so ausgesehen. Aber warum? Schwester Julia war verwirrt.
    »Es tut mir leid, Doktor«, sagte sie und sah auf die braunen Bodenfliesen hinunter. »Aber Sie werden dringend auf der Station gebraucht.«
    Er schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Trotzdem   …«, brummte er. »Das geht trotzdem nicht.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte er sanft zu der Frau. »Ich bin bald zurück.« Dann marschierte er aus dem Sprechzimmer und zog Schwester Julia mit.
    Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. War die señora etwa gar nicht schwanger? Und wenn nicht: Warum versuchte sie dann, so auszusehen?
    »Vertrauen Sie mir, Schwester Julia?«, fragte Dr. López auf dem Weg zum Kreißsaal. »Vertrauen Sie mir in jeder Hinsicht?«
    Schwester Julia sah ihm in die Augen. Er erinnerte sie an einen Raubvogel. »Natürlich, Dr. López«, sagte sie. War das eine

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