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Julias Geheimnis

Julias Geheimnis

Titel: Julias Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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anfangensollte. Alles, was sie hatte, waren ein paar Fotos und die wenigen Informationen, die sie von Frances hatte. Falls Laura sich nicht unerwartet zu einem ehrbaren Mitglied der Mehrheitsgesellschaft gewandelt hatte, was unwahrscheinlich war, würde es schwer, ja vielleicht sogar unmöglich werden, sie aufzuspüren.
    »Und wenn du sie wirklich findest   …«
    »… will sie vielleicht gar nichts von mir wissen.« Ruby rührte in ihrem Kaffee. »Auch das ist mir bewusst.« Wenn sie keine hohen Erwartungen hatte, konnte sie nicht allzu sehr enttäuscht werden. Doch sie musste wenigstens den Versuch machen, herauszufinden, was aus Laura geworden war.
    Frances hatte ihren Kaffee ausgetrunken und winkte nach der Rechnung. »Lass mich wissen, wie du weiterkommst, Ruby«, hatte sie gebeten.
    »Das mache ich.«
    »Ich wünsche dir viel Glück!«
    »Danke.« Ruby griff nach ihrer Geldbörse, aber davon wollte Frances nichts wissen.
    »Du bist eingeladen«, erklärte sie. »Nächstes Mal treffen wir uns hoffentlich unter glücklicheren Umständen.«
    Ruby lächelte, obwohl sie nicht einmal wusste, ob sie Frances tatsächlich je wiedersehen würde. Frances wohnte nicht mehr hier, und Ruby   … Nun ja, sie hatte sich noch nicht entschieden. Sie hatte gedacht, sie müsse nach Dorset zurückkehren. Aber jetzt, nachdem diese Bombe geplatzt war, war sie nicht mehr so überzeugt davon. Sie wusste nicht mehr, wohin sie gehörte.
    »Und es tut mir so leid«, fügte Frances hinzu. »Alles. Der Unfall. Dein Vater. Deine Mutter. Es tut mir so furchtbar leid wegen deiner Mutter.«
    Ruby nickte. »Danke, Frances«, sagte sie. Aber welche Mutter meinte sie?
    Ruby näherte sich dem Cottage am Flussufer, in dem ihre Gastgeber wohnten. Sie waren keine alten Freunde; sie hatte sie nicht lange vor ihrem Umzug nach London kennengelernt, und die Einladung war ein wenig unerwartet gekommen. Sie war sich nicht sicher gewesen, was sie anziehen sollte, und hatte sich schließlich für einen smaragdgrünen Rock, eine rote, eng anliegende Tunika mit winzigen Knöpfen und schwarze Schuhe entschieden. Das war nicht unbedingt ein zwangloses Outfit. Hatte sie sich zu sehr aufgedonnert? War es zu bunt? Sah sie wie ein Papagei aus? Aber Mel hatte sie gedrängt, öfter auszugehen, und sie hatte recht. Ein Essen bei Freunden gehörte zu einem normalen Leben   – was immer das sein sollte. Solange sie beim Dessert nicht in Tränen ausbrach, würde es ihnen egal sein, was sie anhatte.
    Als Ruby die alte Brücke überquerte und sich an dem feuchten, moosbewachsenen Holzgeländer festhielt, um in den Fluss hinunter zu sehen, spürte sie eine leichte Brise, die ihr übers Gesicht strich. Der Wasserstand war hoch und die Strömung reißend, aber das Wasser war klar. Sie konnte die Wasserpflanzen und Steine auf dem felsigen Boden sehen. Sie bückte sich, hob einen Zweig auf, warf ihn ins Wasser und drehte sich schnell auf die andere Seite, um zu sehen, wie er davonschwamm   – die Macht der Gewohnheit. Viele Menschen fürchteten sich davor, Zeit allein zu verbringen. Wenn andere um einen waren, musste man sich selbst nicht so nahekommen. Viele zogen das vor. Doch für Ruby galt das nicht. Wahrscheinlich lernte sie sich selbst gerade erst richtig kennen.
    Nach ihrem Treffen mit Frances hatte sie Mel angerufen, um ihr zu erzählen, was passiert war. »Dann hattest du also recht«, hatte Mel gesagt.
    »Sieht so aus.« Trotzdem hatte sie bis zur letzten Minute geglaubt, es würde eine vernünftige Erklärung geben, die ihr nur vorher nicht eingefallen war. Sie hatte geglaubt, dass Frances alles klarstellen würde. Dass sie dafür sorgen würde, dass alles wieder in Ordnung kam.
    »Und wie fühlst du dich?«
    »Wie betäubt. Erleichtert, weil ich nun die Wahrheit kenne. Wütend. Traurig. Verloren. Unvollständig.« Ruby seufzte.
    »Das sind eine ganze Menge Gefühle«, meinte Mel.
    Das stimmte. Und Ruby wusste nicht recht, wie sie all diese Gefühle bewältigen sollte.
    Sie ging den Weg hinunter, der zu dem Cottage am Fluss führte, und klingelte. Vor der Tür standen Kübel mit Sommerblumen   – rote und weiße Geranien und dicke rote Mohnblumen   –, und die Veranda war von blassrosa Wildrosen überwuchert, die sich hemmungslos ausgebreitet hatten.
    Tina öffnete die Tür. »Ruby! Toll, dich zu sehen.« Sie machte eine einladende Geste. »Komm rein. Wie geht’s dir?«
    »Gut, danke. Und dir?« Ruby überreichte ihr die Weinflasche. Sie kannte Tina, seit

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