Julie oder Die neue Heloise
dulden wollen, weder Pflanzen noch Bäume; man wird nur Blumen von Porzellan, Steinpuppen, Gitterwerk, Sand von allen Farben und schöne Vasen mit nichts darin haben.]
! …. Wenn das Alles ausgeführt sein wird, sagte Herr
von Wolmar, so wird er einen sehr schönen Ort hergestellt haben, den man nicht betreten wird, und aus dem man sich stets beeilen wird hinauszukommen, um in's Freie zu gelangen; einen traurigen Ort, wo man nicht spazieren gehen, sondern den man nur als Durchgang benutzen wird, wenn man spazieren gehen will; während ich auf meinen Gängen im Freien mich oft beeile heim zu kommen, um hier spazieren zu gehen.
In jenen weitläufigen und mit Zierat beladenen Anlagen sehe ich nichts, als die Eigenheit des Besitzers und des Künstlers, welche beide stets voll Begierde, der eine seinen Reichthum, der andere sein Talent zu zeigen, mit großen Kosten Jedem, der sich ihres Werkes gern erfreuen möchte, Langeweile bereiten. Eine falsche Liebe zum Großartigen, welches nicht zu des Menschen Wesen stimmt, vergiftet seine Freuden. Ein großartiger Anstrich ist immer etwas Trauriges; man denkt unwillkürlich an die Misere dessen, welcher damit prahlt. Mitten unter seinen Parterres und in seinen großen Alleen wird sein kleines Persönchen nicht größer; ein Baum von zwanzig Fuß Höhe überragt ihn, wie einer von sechszig Fuß
[Es wäre hier der Ort, sich etwas über den schlechten Geschmack zu verbreiten, dem zufolge die Bäume lächerlich verschnitten werden, um hoch in die
Wolken zu steigen, während man ihnen ihre schönen Kronen und ihren Schatten raubt, ihren Saft erschöpft und es ihnen unmöglich macht, ihn zu benutzen. Diese Methode freilich liefert den Gärtnern Holz, aber sie raubt es dem Lande, das ohnehin schon nicht allzuviel hat. Man sollte meinen, daß die Natur in Frankreich anders beschaffen ist, als in der übrigen Welt, so viel Mühe giebt man sich dort, sie zu verunstalten. Man bepflanzt die Parks nur noch mit langen Ruthen; es sind Wälder von Masten oder Maien, und man spaziert unter lauter Holz, ohne Schatten zu finden.]
; er nimmt nie mehr als seine drei Fuß Raum ein, und verliert sich wie eine Milbe in seinen endlosen Besitzungen.
Es giebt noch einen anderen Geschmack, der diesem gerade entgegengesetzt und noch lächerlicher ist, indem er Einem nicht einmal den Genuß der Promenade. vergönnt, welche doch der Zweck ist, wegen dessen man Gärten unterhält. Ich verstehe, sagte ich: den Geschmack jener Liebhaberchen, jener Blumisten, die beim Anblicke einer Ranunkel in Ohnmacht und vor Tulpen auf die Kniee fallen. Hierbei erzählte ich ihnen, Milord, was mir dazumal in London in jenem Blumengarten begegnet ist, in welchen wir mit so vieler Wichtigkeit eingeführt wurden, und wo wir alle Schätze Hollands prahlen sahen auf vier Mistbeeten. Ich vergaß dabei nicht die Ceremonie mit dem Parasol und dem kleinen Stäbchen, womit man mich Unwürdigen, gleich den andern Beschauern,beehrte. Ich bekannte ihnen demüthig, wie es mir ging, als ich mich auch hervorthun und kühnlich beim Anblick einer Tulpe in Ekstase gerathen wollte, die mir von lebhafter Farbe und von zierlicher Form schien, wie ich davon allen den gelehrten Kennern verspottet, ausgelacht und ausgezischt wurde, und wie der Professor des Gartens von der Verachtung der Blumen zur Verachtung ihres Lobredners überging, und mich keines Blickes mehr würdigte. Ich denke, setzte ich hinzu, daß er es recht bedauert hat, sein Stäbchen und sein Parasol so profanirt zu haben.
Dieser Geschmack, sagte Herr von Woimar, wenn er in Sucht ausartet, hat etwas Kleinliches und Eitles, das ihn kindisch und auf lächerliche Weise kostspielig macht. Der andere hat wenigstens etwas Edles, Großes und eine Art Wahrheit; aber was ist es mit dem Werthe einer Ranunkelklaue oder einer Zwiebel, die ein Insekt vielleicht im Augenblicke, da man sie kauft, benagt oder zerstört, oder einer Blume, die um Mittag kostbar, und die verwelkt ist, ehe die Sonne untergeht? Was ist es mit einer Schönheit, die von Uebereinkunft abhängt, die nur dem Auge des Liebhabers erkennbar und nur deshalb Schönheit ist, weil es ihm zufällig so beliebt? Es kann eine Zeit kommen, da man in diesen Blumen gerade das Gegentheil von dem findet, was man jetzt darin sucht, und mit ebenso gutem Grunde; dann werden Sie Ihrerseits der Gelehrte und Ihr Kenner wird der Unwissende sein. All dies Herumschnüffeln und Achten auf Kleinigkeiten, das zu einer Art Studium ausartet, paßt
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