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Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche

Titel: Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Powell
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landesweiten Fernsehsendung danach zu fragen, aber es ist auch verständlich. Es geht immer um das »französische Paradoxon«, das viel besprochene Rätsel, warum die Franzosen all dies fette Zeug essen und fässerweise Wein trinken und dennoch grazil und kultiviert sind (und außerdem noch »Käse fressende Kapitulationsaffen«). Vernünftige Wesen hoffen selbstverständlich, dass man das Vorhandensein dieses Phänomens zum Wohle der Menschheit wissenschaftlich nachweisen kann, während die vertrockneten, selbstgerechten Faschisten hoffen, man werde das Nichtvorhandensein wissenschaftlich beweisen können, auf dass sie sich weiterhin überlegen fühlen können mit ihrem Gerechten Krieg und/oder ihrer Rohkost. Jeder sucht immer nach Beweisen, und ich glaube, mein Projekt ist eine Art natürlicher Labortest.
    Ich würde die Ergebnisse allerdings bestenfalls als »nicht überzeugend« bezeichnen. Eric hat überhaupt nicht zugenommen, dieses klapprige Scheusal. Ich bin zwar nicht in die Breite gegangen wie ein gewisser für New Yorker alptraumhaft riesiger Flughafen im Mittleren Westen, aber als grazil oder kultiviert würde ich mich auch nicht bezeichnen. Beide haben wir ständig einen korsettförmigen, schmerzhaften Druck um die Leibesmitte. Es gibt noch ein paar andere unvermutete Nebenwirkungen, aber ich weiß nicht, ob sie für die Hypothese relevant sind - meines Wissens sind die Franzosen nicht weltweit dafür bekannt, dass sie auf jeder waagrechten Fläche in ihrer Wohnung zolldicke Staubschichten dulden. Auch habe ich nicht gehört, dass sie Hausfliegen-Flotten in der Küche halten. Und »Käse fressende Kapitulationsaffen« waren wir bereits vorher, also waren wir wirklich keine idealen Testpersonen. Unsere Neigung zu vierfachen Portionen beim Essen und Trinken sowie die viel zu vielen Gimlets dürften die Ergebnisse ebenfalls verfälscht haben. Julia hat immer Mäßigung gepredigt, aber wenn im vergangenen Jahr eine Tatsache endgültig bewiesen wurde, dann die, dass ich keine Begabung für diese besondere Tugend habe. Ich halte es eher mit Julia Childs altem Kumpel Jacques Pepin, der da sagt: »Mäßigung in allem, auch in der Mäßigung.«
    Und außerdem haben mir die Damen von CNNfn meine Kuchenplatte nicht zurückgegeben, und so was kann ich nicht ab.
     
    Am Sonntagvormittag wollte ich die vorletzte Mahlzeit des Projekts zubereiten und begann mit Petits Chaussons au Roquefort , Teigtaschen mit Roquefort. Den Teig machte ich wie immer, so wie ich ihn im letzten Jahr vielleicht drei Dutzend Mal gemacht hatte. Das Wetter hatte sich gebessert, es lag ein Schuss Frische in der Luft, und so wurde der Teig bei diesem allerletzten Mal perfekt.
    Während er ruhte, vermischte ich für die Füllung ein halbes Pfund Roquefort, ein Stück weiche Butter, zwei Eigelb, Pfeffer, Schnittlauch und, was ich merkwürdig fand, Kirschwasser. Dann rollte ich den Teig aus. Trotz der angenehmen Witterung war die Küche durch das Vorheizen des Backofens doch ein wenig heiß und ungemütlich geworden, ich musste also schnell arbeiten. Ich schnitt den Teig in Quadrate von (ungefähr) sechs Zentimetern Seitenlänge, setzte einen Klecks Füllung in die Mitte, bestrich die Ränder mit verkleppertem Ei und drückte sie mit den Fingern zusammen.
    Das hatte schon was, diese vertraute Arbeit - das Kneten, Rollen und mit Mehl Bestäuben, das Buch neben mir und Julia in meinem Kopf, leise vor sich hingurrend wie eine Taube in ihrem Schlag. Sie hatten was, diese Häkchen neben den Rezepten auf 684 vergilbten Seiten, 519 schwarze Häkchen, fünf musste ich noch erledigen. Sie stimmten mich philosophisch - aber vielleicht war ich auch nur hungrig. (Ich hatte nichts gegessen als das bisschen Roquefort-Füllung, das ich mir von den Fingern leckte.) Während ich Teigtaschen füllte und verschloss, ertappte ich mich jedenfalls beim Sinnieren über die Grundrechte einer Roquefortfüllung. Ich hatte die Füllung ins Leben gerufen, und nun versuchte ich sie in einem Butterteiggefängnis einzusperren, obwohl ihre diversen Ausweichmanöver deutlich machten, dass Roquefort nichts dringender wünscht als frei zu sein. War das nicht anmaßend? War das nicht im Grunde eine Sklavenhaltermentalität, wenn ich nur die Seite sah, wie sich die Käsefüllung am besten einfangen ließ, ohne Rücksicht auf das elementare Freiheitsstreben des Roquefort?
    Mir war ein bisschen schwindlig.
    Rückblickend kann man dies natürlich als erstes Anzeichen des bevorstehenden

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