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Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche

Titel: Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Powell
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dennoch so verräterisch wie ein mit einer Plane abgedecktes Mordopfer lagerten die verstümmelten Reste von Eiern. Wären die purpurbefleckten Eigelbspuren, die hartnäckig an der Wand klebten, Blutspritzer gewesen, ein Kriminaltechniker hätte seine Freude daran gehabt. Aber Eric stand nicht am Herd, um die Position des Schützen zu errechnen, sondern um ein Ei in Rotwein zu pochieren. Zwei weitere Eier lagen bereits auf einem Teller neben dem Herd. Letztere hatte ich pochiert, kurz vor unserer improvisierten Neuinszenierung jener Szene aus dem Film »Airplane!«, in dem alle Passagiere Schlange stehen, um der Reihe nach die hysterische Frau zu ohrfeigen und zu schütteln; in unserem Fall übernahm Eric die Rolle aller Passagiere und ich die der durchgedrehten Irren. Die drei Eier waren die letzten Überlebenden des vollen Dutzends, mit dem ich vor drei Stunden begonnen hatte. Ein irres, verzweifeltes Gurgeln entrang sich meiner Kehle, als ich die zwei armseligen Dinger daliegen sah, verzerrt und blau wie die Lippen einer Leiche. »Wir werden bestimmt verhungern.«
    »Wie geht es deiner Mutter? Fühlst du dich jetzt besser?« Eric war die Ruhe selbst, hob das letzte Ei aus dem Wein und legte es neben seine traurigen blauen Schwestern.
    »Ich weiß nicht. Kann sein. Du bist wie dieser scheiß Charles Bronson, weißt du das?«
    »Wie meinst du das?«
    »Oh, das weißt du genau. Du ohrfeigst dein selbstzerstörerisches Weib, damit es wieder zu sich kommt, und verhilfst Lebensmitteln mit Gewalt zu ihrem Recht. Danke für das letzte Ei.«
    »Besonders toll ist es nicht geworden.«
    »Solange ich es nicht vermasselt habe... Diesmal.« Ich kuschelte mich in seine Arme und weinte schon wieder, aber diesmal leise, ein sanftes Nachbeben.
    »Baby«, flüsterte Eric und küsste mich auf mein feuchtes Haar, »ich würde jeden Scheiß für dich machen. Das weißt du.«
    »Ja. Und ich danke dir. Ich liebe dich.«
    »Du liebst mich? Und wer liebt dich ?«
    (Es gibt eine Szene in Superman , wo Margot Kidder aus dem Hubschrauber stürzt und Christopher Reeve sie auffängt und sagt: »Keine Angst, ich halte dich«, worauf sie antwortet: »Du hältst mich? Und wer hält dich?« Daher stammt Erics Lieblingsantwort. Es ist einer seiner Standardsätze. Ich kann gar nicht sagen, wie kostbar und behütet ich mich dann fühle, wie gut aufgehoben zwischen den beiden muskulösen Armen in blauem Lycra - aber wer so lange mit jemandem zusammenlebt wie ich mit Eric, kennt die Macht unsinniger Sätze.)
    In einem Film würde jetzt die Musik anschwellen, aber wir hatten keine Zeit für Romantik. Denn die Zubereitung von Œufs à la Bourguignonne verlangt noch einiges mehr als ein Dutzend Eier zu ruinieren bei dem Versuch, sie in dem einzigen roten Fusel zu pochieren, der sich in dieser von uns irrsinnigerweise bezogenen Wohnung fand. Ich griff nach der Toastbrotpackung auf dem Kühlschrank und nahm drei Scheiben heraus. Mit einer Plätzchenform aus der Großfamilienpackung, die mir Erics Mutter letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte und die ich beim Umzug beinahe weggeworfen hätte, schnitt ich aus jeder Scheibe einen hübschen weißen Kreis aus. Ich säuberte eine der drei funktionierenden Brennstellen am Gasherd (die Brenner zu kontrollieren, bevor man den Mietvertrag unterzeichnet, gehört zu den Überlebenstricks eines New Yorker Mieters, die ich regelmäßig vergesse), stellte eine Pfanne drauf und zerließ darin ein halbes Päckchen Butter.
    »Im Ernst, was hat deine Mutter gesagt?«
    »Sie wollte wissen, ob wir bei Peter Luger einen Tisch reserviert haben.«
    Meine Familie kommt fast jeden Herbst am Geburtstag meines Vaters zu Besuch, denn mein Vater feiert den Tag gern mit einer Show am Broadway und danach in Peter Luger’s Steakhouse in Brooklyn. Dort gibt’s dann Steak for Six mit Rahmspinat und einige trockene Martinis. Dass er dieses Jahr an seinem Geburtstag seiner hysterischen Tochter beim Umziehen helfen müsste, war schlicht und ergreifend Pech.
    »Wollen sie wirklich hier übernachten?«
    Ich warf meinem Mann einen Blick zu, den er nur zu gut kannte. »Ja. Wieso?«
    Eric zuckte die Achseln, schüttelte den Kopf. »Nur so.« Aber er schaute mir nicht in die Augen.
    Meine Mutter ist ein Putzteufel, mein Vater ein Ferkel auf dem Wege der Besserung. Diese beiden haben zwei Kinder großgezogen, eines, das sich angeblich nicht viel aus gründlicher Sauberkeit macht, dessen Umfeld und eigene Person aber immer irgendwie tadellos

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