Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
zurücklag. Unsere alte Vermieterin, eine reizende Frau mit einem wüsten Brooklyn-Akzent, die als Hobby aus alten Fotos Grußkarten mit schlüpfrigen Witzen über das Alter und das Geschlechtsleben verheirateter Leute bastelte, war damals einfach so in unsere Wohnung spaziert. Dies war natürlich nicht in unserem Sinne, zumindest nicht bevor ich jemand gefunden hatte, der den Herd schrubbte, die Löcher in der Wand zugipste und den zerbrochenen Porzellanhandtuchhalter leimte. Aber die Vermieterin kam einfach mit ihrem Schlüssel in unsere Wohnung, bevor all das erledigt war, und hinterließ eine Nachricht auf unserem Anrufbeantworter. Sie sei entsetzt. Sie müsse einen neuen Herd kaufen. (Der Herd funktionierte einwandfrei.) Wir sollten uns nicht mit Saubermachen aufhalten, sondern einfach unser Zeug packen und verschwinden. Das war alles.
Anschließend kam meine Mutter in den Genuss eines fast einstündigen Telefongesprächs vom Typ »hysterischer Weinkrampf mit Schluckauf«. Sie wusste also, dass sie mit Problemen rechnen musste.
Doch so schlimm war es gar nicht. Es roch nicht muffig, und es gab weder Ratten noch Maden (die Maden kommen erst viel später). Gedemütigt, aber stolz, hatte ich trotz des Verbots der Vermieterin eine Frau angeheuert, die den Herd reinigte. (Was soll ich sagen? Ich war neben einem selbstreinigenden Backofen aufgewachsen und hatte den Glauben an mich als an ein Wesen mit freiem Willen nie in Einklang zu bringen vermocht mit der Vorstellung, mich niederzuknien, meinen Kopf in eine mit krebserzeugenden Dämpfen vernebelte Röhre zu stecken und bergeweise schwarzen Ruß rauszuschaufeln.) Aber wenn wir uns wie verantwortungsbewusste Mieter benehmen wollten und nicht wie Wohnwagengesindel, blieb noch verdammt viel zu tun. Also schrubbten, strichen, packten und fegten wir allesamt stundenlang. Mom säuberte sogar die Tropfwanne unter dem Kühlschrank. Ich wusste nicht einmal, dass es solch ein Ding gab. Schließlich war die Wohnung leer bis auf das hässliche Klappsofa. Es war halb vier, und - oh, diesen Teil der Geschichte habe ich noch gar nicht erwähnt - wir hatten Theaterkarten für den Abend: Edie Falco und Stanley Tucci in »Frankie & Johnny in the Clair de Lune«. Achtzig Dollar pro Nase.
»So, und was in drei Teufels Namen machen wir jetzt damit ?«
»Von Sally hast du noch nichts gehört?«, fragte Dad.
»Nee.« Ich gab mir alle Mühe, mich nicht zu ärgern - womöglich war Sallys Mutter an einer Tankstelle erschossen worden und ich Idiot regte mich wegen eines Sofas auf.
»Na gut«, sagte Mom energisch. »Dann geht es ihr eben durch die Lappen. Ich schlage vor, wir bringen es zur Wohlfahrt und sind es los.«
Wir luden um und verstauten mehr, als ratsam war, in unserem klapprigen Bronco Baujahr 1991, und so konnten mein Bruder, mein Vater und Eric das Sofa noch in den Laster quetschen. Dann schoben sich die Jungs auf die Vordersitze. Sie sollten eine karitative Organisation ausfindig machen und den Umzugswagen zurückbringen, während Mom und ich im Bronco direkt nach Long Island City fuhren. Nach dem Ausladen würde uns noch genug Zeit bleiben, uns fürs Theater abends frisch zu machen. Mom und ich hievten uns also in den Bronco, ließen den Motor an und fuhren los.
Der Blick von der Auffahrt zum Brooklyn Queens Expressway, kurz vor dem Battery Tunnel, ist wunderschön - der funkelnde Hafen, die Skyline von Manhattan, darunter das malerische Carroll Gardens - aber nicht daran werde ich mich für immer erinnern. Ich werde mich vielmehr daran erinnern, dass der Verkehr hier, wo zwei Expressways zusammenlaufen, selbst zu den besten Zeiten sehr dicht ist, dass die Schnellstraße hoch über dem Boden verläuft, sehr steil und einspurig ist und keine Standspur hat. Ich werde sie in Erinnerung behalten als die Art von Örtlichkeit, wo man sich keinesfalls eine Panne wünscht.
Na ja.
Der langen Rede kurzer Sinn: Mom und ich sagten unseren Theaterkarten Adieu. Nachdem wir von der Umgehungsstraße zu einer Tankstelle an der Atlantic Avenue mit vielen überaus höflichen, indes nicht besonders hilfreichen indischen Herren abgeschleppt worden waren, stopfte ich meine ölverschmierte Mutter in ein Taxi und wartete dann stundenlang auf den Abschleppdienst, der mich und meinen schwer behinderten Bronco nach Queens transportieren würde. Als Mom vor der neuen Wohnung ankam, stieß sie vor der Tür auf ein umgekipptes Bettsofa, das die Treppe blockierte. Die Suche nach einer
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