Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche

Titel: Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Powell
Vom Netzwerk:
wurde zum Essen eingeladen (mit dem Amtsleiter, gelinde gesagt eine etwas seltsame Idee). Das Motto stand auf dem Briefpapier, der Website und der gläsernen Eingangstür. Es war ein hübsches, sehr bewegendes Motto. Aber ich war dort nur eine kleine Sekretärin. Und wenn man kurz vor dem ersten Jahrestag des 11. September als Sekretärin in der Behörde arbeitet, die das Loch, wo früher die Twin Towers gestanden hatten, wieder auffüllen soll, dann hilft einem solch ein Motto auch nicht viel weiter.
    Das Problem war nicht übertriebene Gemütsbewegung - das Personal war viel zu beschäftigt, um traurig herumzuschleichen. Außerdem wimmelte es im Haus von Republikanern, da waren echte Gefühle ohnehin Mangelware. Hinzu kam, dass sich die Behörde genau gegenüber von dem weltweit als »Ground Zero« bekannten Areal befand, das wir nur »das Grundstück« nannten. Aus den Fenstern im Konferenzraum konnte man genau in das Loch schauen. Wenn man so etwas monatelang sieht, gewöhnt man sich einfach daran. Man gewöhnt sich an alles, man muss nur ein paar Bergwerksschächte im eigenen Gehirn einstürzen lassen, in denen das Zeug rumliegt, an das man nicht denken mag. Das ist bequem - vielleicht nicht leicht, aber bequem.
    Als mir damals im Frühling eine feste Stelle angeboten wurde, durchstöberten noch immer die gelben Bagger mit den riesigen, gezahnten Schaufeln behutsam die feinen Furchen im Schutt und suchten nach Leichenteilen. Ab und zu fand man in der Umgebung oder auch weiter weg Papierfetzen, die den Rinnstein entlangwehten. Blätter mit einer Aktennotiz, einem Auftrag, einer Inventarliste. Alle so seltsam zerborsten wie die Glasur auf einem cellophanverpackten Kuchen und bestäubt mit einem merkwürdigen, bleichen Pulver, als wolle jemand Fingerabdrücke davon nehmen. Man wusste immer, woher die kamen.
    Eines Tages ließ mich der Amtsleiter in sein Büro rufen. Er war vom Typ »rau, aber herzlich«, dieser Mr. Kline, nicht besonders jung, aber auch nicht richtig alt. Er hatte einen dicklichen Hals und genau genommen nicht unattraktive Gesichtszüge, aber alles war sehr klein und lag merkwürdig nah beieinander. Wahrscheinlich erinnerte er mich, bloß weil er Republikaner war, immer ein bisschen an ein Schwein. Trotzdem war er ganz nett, besonders, als er mir eine Festanstellung anbot.
    Warum habe ich sie angenommen, nachdem ich jahrelang nein gesagt hatte? Ich weiß es nicht. Vielleicht wegen Nate. Nate war inoffiziell Mr. Klines Stellvertreter - ein Milchgesicht, ganz niedlich, wenn man auf den Typ »Teufelskerl« steht, und zwei Jahre jünger als ich, wenn man seinen Worten glauben will, was man natürlich nicht tun sollte. Seinen lässig hingeworfenen Komplimenten und beiläufigen Bosheiten - gerade bissig genug, um einen angenehmen Stich zu hinterlassen -, seinen abfälligen Bemerkungen und kumpelhaften Schlüpfrigkeiten war ich nie so recht gewachsen. Dann kam ich mir immer so vor, als arbeitete ich in einer Welt wie West Wing, der Fernsehserie, die im Weißen Haus spielt.
    Ein typisches Beispiel:
    Als ich aus Mr. Klines Büro kam, wo ich soeben das Stellenangebot bekommen und gesagt hatte, ich würde darüber nachdenken, lief ich geradewegs in Sarah hinein, die Vizepräsidentin für Government Relations. (In dieser Behörde wimmelte es geradezu von Vizepräsidenten, und ständig schossen neue aus dem Boden.) Sarah war eine unglaublich kesse Frau mit Sommersprossen, riesigen Augen und dichten Wimpern wie eine Disney-Figur. (Außerdem war sie nach meiner zugegeben unmaßgeblichen Meinung vollkommen verrückt; das musste ich erfahren, als ich einmal für eineinhalb Monate ihre Sekretärin zu vertreten hatte.) Sie blieb stehen, packte mich an den Schultern und starrte mich an wie ein Hypnotiseur. »Julie«, fragte sie, »sind Sie Republikanerin?«
    Ich schob mir mühsam die Augäpfel in den Kopf zurück, als Nate, der danebenstand und verdächtig danach aussah, als habe er nur darauf gewartet, dass ich mit einem Job aus Mr. Klines Büro rauskäme, mir zuzwinkerte und grinste: »Machen Sie Witze? Republikaner tragen doch keine Vintage-Mode.«
    Das schien mir bei näherer Betrachtung ein durchaus brauchbarer Lackmustest zu sein.
    Vielleicht war es also Nate. Oder weil draußen vor dem Fenster gerade so verführerisch Geschichte geschrieben wurde. Oder weil ich bald dreißig war und mir angst und bange wurde.
    Aus welchem Grund auch immer, diesmal hatte ich ja gesagt. Nun war es vier Monate später, Anfang

Weitere Kostenlose Bücher