Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
Wohlfahrtsorganisation war offenbar erfolglos gewesen. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Meine Mutter ist nicht gerade die Geduld in Person, dennoch hatte sie diesen anstrengenden Tag klaglos durchgestanden. Sie war erschöpft, die Hüfte tat ihr weh, sie war schmutzig. Sie lehnte sich gegen das Sofa und weinte.
Zum Glück hatte Eric beschlossen, hier zu bleiben und in der Wohnung auf uns zu warten, während mein Vater und Heathcliff loszogen, um wenigstens zwei der sündteuren Broadwaytickets nicht verkommen zu lassen. Als er hörte, wie das Sofagestell wackelte und gegen die Wand des Eingangsflurs schlug, ging er der Sache nach und fand meine Mutter schluchzend auf den grauen, Schmutz abweisenden Polstern. Er schob das Sofa zur Seite, so dass sie sich vorbeizwängen und nach oben gehen konnte. Dort brach sie auf dem ehemals weißen Stuhl zusammen, den sie sich gekauft hatte, als sie mit mir schwanger war - zum Stillen -, und den sie mir geschenkt hatte, als ich nach New York zog. »Oh Gott«, stöhnte sie. »Ich begreif es einfach nicht.«
»Elaine«, fragte Eric, »ist diese Wohnung wirklich so schlimm?«
»Ja.«
»Das tut mir Leid. Ich bin schuld. Tut mir Leid, dass ich deine Tochter da reingezogen habe.«
Elaine, die die Hände vors Gesicht geschlagen hatte, schaute zwischen den gespreizten Fingern hindurch auf das Panoramafenster mit den zerbrochenen Lamellen, auf den faulenden Dielenboden in der Küche und zum Nebenzimmer, das mit dem langen, offenen Raum ein kurzschwänziges »L« bildete. Sie blickte sich nachdenklich um, dann schenkte sie Eric ein kleines, aber warmes Lächeln. »Du hast meine Tochter nirgendwo reingezogen, wo sie nicht auch allein hineingeraten wäre. Außerdem, wir machen schon was draus. Jetzt erst mal die wichtigste Frage: Hast du Orangensaft da? «
Endlich, gegen neun Uhr, kamen der Bronco und ich in Long Island City an, und nachdem ich das angeknackste Auto ausgeladen und den Möbelwagen zurückgebracht hatte, ging ich in die Wohnung hinauf und fand dort meine Mutter vor, frisch gebadet und mit einem großen Glas Gin mit Orangensaft in der Hand sinnend umherwandernd. »Dieser Nebenraum ist zu eng für ein Schlafzimmer. Warum stellt ihr nicht das Bett hier rüber und macht aus diesem Raum ein Schmuckkästchen von Esszimmer? Das kann ganz herrlich werden. Ich geb euch Stores, das macht es wohnlicher. Und ihr braucht Spiegel. Ein Flokatiteppich wäre auch gut.«
Um elf Uhr abends trafen wir uns alle bei Peter Luger zu Dads Geburtstagsessen. Dad und Heathcliff hatten sich bei »Frankie und Johnny« prächtig amüsiert. (Dad ist ein großer Fan von Edie Falco.) Heathcliff hatte sogar eine Freundin aufgetrieben - na ja, eigentlich eine Exfreundin, Heathcliff ist der Typ Mensch, der bei Bedarf immer irgendwelche Exfreundinnen ausgräbt -, die eine der Theaterkarten übernahm, und sie kam mit zum Essen. Wir nahmen Steak for Six mit Rahmspinat und hatten schon jede Menge Martinis intus, als Dads Geburtstag offiziell zu Ende ging. Mom zeichnete auf einer Papierserviette, wie sie mit Spezialvorhängen am großen Fenster den Lärm von der Straße abhalten wollte, und plapperte ständig was von einem fantastischen, billigen Bodenbelag, unter dem wir die faulenden Bretter in der Küche verstecken könnten.
»Ach, ist das herrlich«, seufzte ich und hielt meinen Martini gegen das Licht: schmeckt gut, steigt in den Kopf und ist leicht verdaulich.
»Tja«, stimmte Eric zu und schob seinen Stuhl zurück, »jetzt fehlen nur noch ein paar in Rotwein pochierte Eier.«
Mom starrte von ihrer Serviette hoch und stach mit dem Stift nach ihm. »DARÜBER MACHT MAN keine Witze!«
Und dann war es Mitternacht. Mein Vater war sechzig, und wir wohnten in Long Island City, statt nur ewig dort spazieren zu gehen. Vielleicht war es gar nicht so schlecht.
April 1944
Kandy, Ceylon
» Nach einer Stunde hatten wir vielleicht ein Fläschchen voll. Alice hatte die Arme bis zu den Ellbogen voll Schuppen, mir hingen am ganzen Leib und im Haar Fischaugen, beide hielten wir zerquetschte Forellen oder was das war in den Händen und linsten hinüber zu dem Becher, um zu sehen, ob wir schon genug von dem Zeug beisammenhatten. Es sah trüb-rosa aus und roch - na, sagen wir mal: streng.«
Die neue Archivarin saß mit dem Rücken gegen die Wand, hielt ihr Cocktailglas fest in der riesigen Hand und schwenkte es, vielleicht um etwas zu veranschaulichen oder weil sie betrunken war. Ihr großes, breites Gesicht
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