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Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche

Titel: Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Powell
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Küchentisch saß, eine Tasse Kaffee trank und mich ein bisschen dem unbestimmten Missmut überließ, den der Tag nach dem ersten Tag des Jahres immer mit sich bringt, kam Heathcliff herein - das rote Haar stand ihm noch vom Schlafen zu Berge - und rieb sich die Augen. Heathcliff ist nicht gerade ein Morgenmensch; ich hatte nicht damit gerechnet, ihn vor unserer Abreise noch einmal zu sehen.
    »Hey.«
    »Hey. Du bist früh auf.«
    »Mom meinte, wir sollten alle zum Frühstück kommen, bevor ihr fliegt.«
    »Ja.«
    Er warf sich in einen Stuhl, griff nach der Titelseite der Zeitung, schaute verschlafen drauf. Dann muss ich wohl geseufzt haben, denn er blickte wieder hoch und sagte mit einem schiefen Grinsen: »Was ist los, Schwesterchen?«
    »Ich weiß nicht. Ich muss zurück.«
    »Aaach. Das ist doch gut. Du machst dich wieder an deine Kocherei.«
    »Aber ich muss einen Hummer umbringen. Ich muss ihn noch lebend zerteilen. Ich weiß nicht, ob ich das schaffe.«
    »Julie. Ich hab gesehen, wie du einer Maus an einer Marmorplatte den Schädel eingeschlagen hast, um sie an eine Pythonschlange zu verfüttern.«
    »Daran bist du schuld.«
    »Du wirst doch so ein Vieh umbringen können. Reiß dich zusammen, Mann.«
    Wenn man nach ein paar Tagen in Austin nach New York zurückfliegt, ist das, als würde man mit der Rohrpost zurückgeschossen, stickig, unerbittlich. Egal, wie oft Eric sagte: »Ich freu mich schon auf die Katzen, du auch?«, ich wurde nicht fröhlicher. Auf mich wartete Homard à l’Américaine .
    Ich wusste nicht, warum ich das tat. Ich wollte keine Hummer töten. Verdammt, ich wollte überhaupt nicht kochen. Die Bleaders wären enttäuscht, natürlich, aber sie würden darüber hinwegkommen. Ich war es gewohnt, andere Menschen zu enttäuschen. Außerdem: Wie kam ich dazu, mir einzubilden, was ich auf einem Blog über Julia Child und französische Küche schrieb, könne irgendjemandem auch nur zwei Pfifferlinge wert sein?
    Komm, Julie. Du bist eine langweilige Sekretärin und Butterfetischistin, mehr nicht.
    Aber ich konnte nicht aufhören. Ich konnte nicht aufhören, denn wenn ich nicht kochte, war ich nicht mehr die Erfinderin des Julie/Julia-Projekts. Dann hatte ich nur noch meinen Job, meinen Mann und meine Katzen. Dann war ich der Mensch, der ich vorher auch gewesen war. Ohne das Projekt war ich nur eine Sekretärin auf dem Weg ins Nichts, trieb auf graue Strähnchen im Haar und Mentholsucht zu. Und ich würde nie dem Namen Ehre machen, der mir bei meiner Geburt gegeben wurde, dem Namen, den ich mit Julia teilte.
    Witzigerweise wäre ich aus diesem Angstloch nie mehr rausgekommen, wenn ich nicht Sekretärin gewesen wäre. Denn dann hätte ich nie die Gelegenheit gehabt, auf folgendes Telefongespräch zu reagieren:
    »Hallo, ich habe ein Geschäft Downtown und möchte gern wissen, ob ich die Voraussetzungen für eine Unternehmensunterstützung erfülle.«
    »Gut, vielleicht kann ich Ihnen helfen. Wo liegt denn Ihr Geschäft?« Eigentlich hatte ich nichts mit Subventionen zu tun, aber wenn man jemanden in eine andere Abteilung weiterverbindet, hängt der oft eine halbe Stunde lang in der Leitung und kommt nicht selten wieder zu einem zurück, um nichts klüger und stinksauer. Deshalb war es ungeschriebenes Gesetz, dass die Sekretärinnen alle Fragen beantworteten, auch wenn sie keine Ahnung hatten.
    »Mein Geschäft liegt am Hafen, und viele meiner Kunden haben in den Twin Towers gearbeitet...«
    »Der Hafen liegt innerhalb des ausgewiesenen Bereichs, Sie müssten also die volle Beihilfe bekommen. Rufen Sie doch an bei...«
    »Kann ich offen mit Ihnen sprechen?« Die Frau am anderen Ende der Leitung hatte eine tiefe, heisere Stimme, sie klang, als hätte sie gerade über etwas gelacht. Ich wurde neugierig. Kann ich offen mit Ihnen sprechen - eine solche Frage hört man nicht oft, wenn man in einer staatlichen Behörde arbeitet.
    »Uh - natürlich.«
    »Ich habe eine Folterkammer. Es ist die einzige Folterkammer in Manhattan. Wir haben das Good Housekeeping Seal of Approval der New Yorker Polizei.«
    »Die Polizei vergibt Gütesiegel?«
    »Na ja, der Polizeichef hat seinen Männern gesagt, wenn sie in einen Sadomaso-Kerker gehen wollen, dann sollen sie zu mir kommen...«
    Ich saß da, offenen Mundes vor meinem Kopfmikrophon, als die Frau gestand, sie brauche eigentlich gar keine Unterstützung, das Geschäft gehe ziemlich gut, aber sie wolle sich gern vergrößern, und ihr Steuerberater habe ihr geraten,

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