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Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche

Titel: Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Powell
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sie solle bei uns anrufen.
    »Das ist ja stark.« Das kam etwas verspätet raus und ohne die kraftvoll kühle Distanziertheit, die ich mir gewünscht hätte.
    »Ich weiß.«
    Vermutlich war ein fassungsloses stark weit mehr, als sie erwartet hatte, wenn sie in einer staatlichen Behörde telefonisch um Zuschüsse bat. Dieser Anruf hatte wohl einigen Mumm erfordert. Was, wenn sie Natalie an den Apparat bekommen hätte, die Irre mit dem Was-würde-Jesus-tun -Armband? Andererseits, dachte ich, erfordert es auch einigen Mumm, in Lower Manhattan einen Sadomaso-Kerker aufzumachen.
    Wir plauderten ein paar Minuten über die Unwägbarkeiten der perversen Lebensführung mit ihren vielen Gesichtern, und unser Gespräch gipfelte in einer Anekdote - wahrscheinlich erzählte sie die auf allen Cocktailpartys - über den Kunden, der einmal pro Woche kommt und drei Paar Holzschuhe und eine Riverdance-Kassette mitbringt. »Er liegt nackt auf dem Boden, während wir für ihn einen Holzschuhtanz aufführen. Ich kann das nicht, ich bin eine übergewichtige Schwarze und wirke in diesen Holzschuhen total lächerlich. Aber das ist eben mein Leben, was soll ich sagen?« Sie brach in schallendes Gelächter aus. Und ich fühlte plötzlich so etwas wie Neid. Nicht weil ein Clog dance für nackte Finanzanalytiker wirklich mein Ding wäre. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich meinen Job liebte. Das war noch nie so.
    Gerade als ich aufhängte, kam Nate kurz in meine Kabine. »Sieh an, Miss Rosa Wänglein! Hast du einen geheimen Verehrer?«
    »Was?« Ich fasste mir ins Gesicht und fühlte die Hitze des Errötens. »Och, nein, es ist nichts. Was gibt’s?«
    »Ich wollte dir nur zu dem Artikel gratulieren.«
    »Zu welchem Artikel?«
    »Hast du’s noch nicht gesehen? Christian Science Monitor . Kimmy hat ihn heute früh bei der Nexus-Suche rausgezogen.« Er reichte mir ein fotokopiertes Blatt. Heilige Scheiße. Ich hatte nicht einmal mehr an diesen Reporter gedacht, seit er zu uns zum Bœuf Bourguignon gekommen war. »Sieht ganz so aus, als würde noch was aus deiner Kocherei.«
    Nate grinste auf mich herab. Die Presse machte ihn immer ein bisschen high. »Nur eins. Es gibt keinen Grund zu sagen, wo du arbeitest. Ich meine, das ist nicht Teil der Geschichte, oder?«
    »Hm. Vermutlich nicht. Entschuldigung.«
    »Kein Problem. Merk’s dir fürs nächste Mal.« Er zwinkerte mir zu und wollte gehen. »Ach, noch was. Ich war auf deiner Website. Sehr lustig.«
    »Oh. Hm. Danke.«
    Okay. Jetzt wurde ich nervös.
     
    Mein letztes Opfer kam wieder aus Chinatown. Er war lebhafter als seine Vorgänger; in der U-Bahn schlug er in seiner Tüte die ganze Zeit wild um sich. Aber einen toten Hummer zu erdolchen ist schließlich keine Kunst.
    Als ich heimkam, steckte ich ihn eine Zeit lang in den Gefrierschrank, ich wollte versuchen, ihn zu betäuben, damit alles ein bisschen leichter ging. Aber gibt es so etwas wie eine leichte Vivisektion? Nach einer halbe Stunde, als Eric sich ins Wohnzimmer zurückzog und den Fernseher laut stellte, holte ich den Hummer aus dem Gefrierschrank und legte ihn auf das Tranchierbrett.
    Julia Child schreibt: »Den Hummer der Länge nach in zwei Hälften teilen. Kaumagen (im Kopf) und Darm entfernen. Die korallenrote und grüne Masse beiseite legen. Scheren und Gelenke abtrennen und aufbrechen. Schwanzstück vom Kopf trennen.«
    »Ach, Julia, bei dir klingt alles so einfach.«
    Der arme Kerl saß bloß da, winkte freundlich mit seinen Scheren und Fühlern, und ich stand vor ihm und richtete mein größtes Messer auf die Verbindungsstelle zwischen Kopf und Schwanz. Ich atmete tief ein und wieder aus.
    Das ist, wie wenn man einen alten, todkranken Hund durch einen Schuss in den Hinterkopf tötet - man muss stark sein um des Tieres willen.
    » Ah, du hast seinerzeit sicher jede Menge Hunde erschossen!« Fang an.
    » Ja, ja, okay. Eins. Zwei. Drei .«
    Ich drückte das Messer nieder und durchschnitt den Panzer dort, wo sich laut Julia das Rückenmark schnell durchtrennen ließ.
    Das Ding begann um sich zu schlagen.
    »Sieht nicht so aus, als hielte er das für besonders schmerzlos, Julia.«
    Halbiere ihn. Schnell. Fang beim Kopf an.
    Ich setzte die Messerspitze zwischen die Augen, murmelte: »Verzeih, verzeih, verzeih«, und stieß zu.
    O Gott. O Gott.
    Helles Blut tropfte vom Rand des Tranchierbretts auf den Boden, da der Hummer noch immer heftig um sich schlug, obwohl sein Kopf bereits säuberlich halbiert war. Die

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