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Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche

Titel: Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Powell
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Brustmuskeln umklammerten die Messerschneide, dass das Heft in meiner Hand zitterte. Ich sägte weiter und war schon zur Hälfte durch, als ich kurz hinausgehen musste, um einen klaren Kopf zu bekommen.
    Aber offenbar erlange ich allmählich eine zen-hafte Heiterkeit beim Töten von Krustentieren, denn als ich wieder in die Küche kam und das riesige Ding vor mir sah, das da mit einem Messer ans Tranchierbrett genagelt war und sich immer noch krümmte, kicherte ich nur, anstatt mich über die Unmenschlichkeit des Menschen gegenüber dem Hummer zu entsetzen. Wenn man es recht bedachte, war es eigentlich ziemlich komisch.
    Übelkeit hinwegzulachen ist eine meiner Stärken, und von jetzt an ging alles leichter. In Kürze hatte ich das Ding in vier Teile zerlegt - plus die abgetrennten Scheren. Ich entfernte den Darm und die »grüne Masse«, die ungekocht noch mehr nach einem Organ aussah. Die einzelnen Teile zuckten ständig weiter, sogar noch, als ich sie ins heiße Öl warf.
    Mein letztes Opfer wurde mit Karotten, Zwiebeln, Schalotten und Knoblauch gebraten, mit Cognac begossen und angezündet, dann im Ofen mit Vermouth, Tomaten, Petersilie und Estragon gebacken und im Reisring serviert, wie Julie es verlangt. Ich hatte für die Frau gemordet, warum sollte ich nicht auch noch den Reis ringförmig anrichten? Die Hummerteile häufte ich in die Mitte und schöpfte die Sauce darüber. »Essen ist fertig!«
    Eric überwand seinen vorübergehenden Widerwillen gegen einen Berg verstümmelten Hummer und haute ordentlich rein. »Es ist sicher nicht schlimmer, ein Tier zu essen, das man selbst getötet hat, als eins, das in der Fabrik getötet wurde. Vielleicht ist es sogar besser.«
    »Das stimmt.« Ich aß einen Bissen Hummerfleisch mit Reis. Es schmeckte ziemlich gut. »Die Diskussion über das moralische Recht zum Schlachten führt immer nur zu panischem Selbsthass.«
    »Es sei denn, man ist Veganer.«
    »Hmm. Aber dann ist man Veganer und zählt nicht. Hey, hast du gelesen, wie man Hühner schlachtet? Man hängt sie kopfüber in ein Förderband, die Füßchen in einer Art Handschellen, und -«
    »Julie, ich esse noch.«
    »Oder Schweine? Dabei sind Schweine relativ kluge Tiere.«
    » Aber -« Eric hob die Gabel in großer Rednergeste. »Hat die Intelligenz eines Geschöpfs etwas zu tun mit seinem Recht und Verlangen zu leben?« Eric hatte die erste Portion Homard à l’Américaine beendet und nahm sich ein zweites Mal.
    »George Bush würde sagen, nein.«
    »Es stellt sich also die Frage: Ist George Bush Veganer?«
    »Nein, es stellt sich die Frage - Moment mal, spiel ich jetzt hier George Bush? O Gott!«
    »Ich glaube, jetzt wird es etwas wirr. Lass uns einfach essen.«
    »Ja, nur - mir ist gerade eingefallen, ich hab vergessen, dir von diesem irrsinnigen Anruf heute im Büro zu erzählen.«
    Manchmal macht mich mein Mann wütend, manchmal enttäuscht er mich. Aber ich muss nicht lange nachdenken, um zwei Beispiele zu nennen, wo es besonders gut ist, verheiratet zu sein. Erstens, wenn man Hilfe beim Hummertöten braucht. Und zweitens, wenn man eine inspirierende Geschichte über eine üppige Afroamerikanerin zu erzählen hat, die einen Sadomaso-Kerker betreibt. Ich berichtete ihm davon, während wir mit ein paar Brocken Baguette die letzten Reste der buttrigen Hummersauce auftunkten.
    »Das ist ja toll.«
    »Ich weiß, ich weiß.« Ich kenne niemand anderen, der begriffen hätte, wie gut mir diese Geschichte getan hatte.
    »Sie macht einen glücklich, weil einem bewusst wird, welche Möglichkeiten es in der Welt gibt.«
    Er meinte damit nicht die Möglichkeit, nackte Damen für sich tanzen zu lassen, oder zumindest nicht nur . Er meinte, dass man manchmal einen Blick in ein Leben erhascht, von dessen Existenz man nichts geahnt hat. Überall gibt es Falltüren, plötzlich sieht man eine, und gleich darauf befindet man sich in einer Situation, in der man dankbare Geschäftsleute auspeitscht oder Hummer halbiert, und die Welt ist viel größer, als man gedacht hat.
    Also fasste ich an diesem Abend meinen guten Vorsatz fürs neue Jahr (besser spät als nie): mich verdammt noch eins zusammenzureißen. Wenn ich Julia in dieses Kaninchenloch folgte, dann sollte es mir auch Spaß machen, Herrgott noch mal, Erschöpfung hin, Krustentiermorde her. Denn nicht jeder hat ein Kaninchenloch. Genau genommen hatte ich ein Schweineglück.

    Januar 1946
Bucks County, Pennsylvania
     
    Als er in ihrem Brief zu der Stelle über Jane

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