Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
Bartleman kam, verschluckte sich Paul vor Lachen fast an seinem Wein und dachte ohne allzu großes Bedauern, dass er vielleicht einen schlechten Einfluss auf die kleine Julia ausübte. Er war sich nicht sicher gewesen, ob es richtig war, ihr von den Weissagungen der Astrologin zu erzählen. Er wusste, Julia war in ihn verliebt, und Mrs. Bartleman hielt anscheinend nicht viel von ihrer gemeinsamen Zukunft. Vielleicht hatte er sie verletzt. Aber er hätte es wissen müssen. Von einem Püppchen mit einer Sternenkarte und ein paar feierlichen Sprüchen ließ Julia sich nicht unterkriegen.
Charlies Frau Freddie rief hoch. »Paul? Das Essen steht auf dem Tisch.«
»Ich komme gleich runter. Muss nur noch einen Brief fertig lesen.«
Manchmal fragte sich Paul, ob er das arme Mädchen an der Nase herumführte - denn er sah in Julie noch immer ein Mädchen. Ein naives, reizendes, leicht erregbares Mädchen. Paul hatte sich noch nie auf einen so unfertigen, so wenig selbstsicheren Menschen eingelassen. Trotzdem - er vermisste sie mehr, als er bei der Abreise aus China gedacht hatte.
Julie fragte in ihrem Brief unverblümt, ob er sie in Pasadena besuchen wolle. Und nach dem Abendessen, einem köstlichen Lammbraten, setzte er sich hin und schrieb ihr, er werde kommen. Er wusste noch nicht, dass er beschlossen hatte, sie zu heiraten, aber so war es.
198. TAG, 268. REZEPT
Zer-Reis-Probe
Es gibt viele Methoden, wie man zu einfachem gekochtem
oder gedämpftem Reis kommt, und die meisten Köche
suchen sich die aus, die ihrem Temperament entspricht.
Wir halten die folgende Methode für narrensicher.
Mastering the Art of French Cooking, Bd. 1
Um es gleich vorneweg zu sagen: Wenn ich mich hier als Besitzerin eines Duschbads oute, beraube ich mich jeglicher Aussicht auf das Mitgefühl meiner New Yorker Mitbürger, sofern sie nicht stinkreich sind, dessen bin ich mir vollkommen bewusst. (Meine Mutter würde den Raum als »Gästetoilette« bezeichnen, aber sag das mal frustrierten Apartmentbewohnern, wir werden ja sehen, wer dann gelyncht wird.)
Außerdem muss man fairerweise ergänzen, dass der scheußliche schwarze Dreck, der da eines Februarmontags aus unserem Abfluss quoll, nur der Höhepunkt eines ohnehin schon entsetzlichen Tages war. Es begann mit dem Rest der Charlotte Malakoff au Chocolat , die ich am Wochenende gemacht hatte. Ich hatte sogar selber Löffelbiskuits gebacken; Julia weist nämlich warnend darauf hin, dass fertig gekaufte Löffelbiskuits »einen ansonsten bemerkenswerten Nachtisch entwerten«. Entwerten. Herrgott noch mal, Julia, nur keinen Druck! Ich habe also selbst welche gebacken, was an sich schon eine Strapaze war, sie dann in Grand Marnier eingeweicht und versucht, die Charlotte-Form damit auszukleiden. (Wer hätte noch vor einem Jahr gedacht, dass ich zu dem Personenkreis zähle, der eine Charlotte-Form besitzt?) Aber sie sackten einfach zusammen und knickten in der Taille ein wie traurige, kleine, in Ohnmacht fallende Damen. Das Endprodukt sah aus wie ein im Preis reduzierter Baskin-Robbins-Kuchen mit kleinen Fehlern. Vielleicht war die Charlotte durch die scheiß Löffelbiskuits entwertet - keine Ahnung, ich fühlte mich selbst entwertet -, aber es schmeckte schokoladig, süß, sahnig und kalt. Eigentlich verdammt gut. So gut, dass ich es nicht mehr in meinem Kühlschrank haben wollte, wo es mich nur in Versuchung führen würde. Also wickelte ich die übrig gebliebene Charlotte Malakoff am frühen Morgen dieses grässlichen Tages in Wachspapier, setzte sie in eine Keramikform und verstaute das Ganze in einer großen H&M-Tüte. Gerade als ich fertig war, kam in den Nachrichten, dass eine unserer beiden U-Bahnlinien wegen Gleisschaden nicht bis Manhattan fuhr. Natürlich war um 9 Uhr Personalversammlung.
Wahrscheinlich ahnen Sie schon, wie das Ganze endete. Als ich an der Haltestelle Cortlandt Street gegenüber von meinem Büro ausstieg, verspätet, verschwitzt und hastig - genau, da riss natürlich der Tütenboden, ebenso natürlich fiel meine Charlotte Malakoff auf das Pflaster und natürlich zerbrach auch meine Keramikform. Dazu kam - natürlich - ein gefrierender Regen, der sich in eisigen Klümpchen in der mongolischen Wolle meines Mantelkragens verfing. Ich klaubte die in Wachspapier gehüllte Charlotte Malakoff und die Scherben meiner Keramikform ein und flüchtete ins Gebäude, das Gesicht knallrot vor Peinlichkeit. Im Büro angekommen, deponierte ich die Charlottenreste
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