Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
nur nicht nach Chinatown gehen. Damit verband ich unangenehme Erinnerungen. In der Reis-Frage verhalte ich mich neutral wie die Schweiz, und im Augenblick reicht es mir, wenn ich Uncle Ben’s im Topf koche.
An dem Tag, als Isabel ein Flugzeug nach England bestieg, um eine Woche lang mit einem britischen Punk, den sie noch nie gesehen hatte, tierisch wilden Sex zu haben, ertappte ich mich dabei, dass ich über ihre komische Theorie mit dem Reis-Vorhang nachdachte. Und ich begriff allmählich, was sie meinte. Vielleicht gibt es in dieser Welt Grenzen, die, wenn sie einmal überschritten sind, die Menschen so endgültig voneinander trennen, als lebten sie in verschiedenen Welten. Wenn eine Frau einmal mit einem japanischen Reiskocher anfängt, kann sie vielleicht nie mehr zurück. Aber vielleicht ist diese Grenze durchsichtig, vielleicht kann sie auf ihre früheren Gefährtinnen in der unwirklichen Welt derer, die den Reis in normalen Töpfen kochen, nachdenklich und mitleidig zurückblicken. Eine Weile lebten Isabel und ich beide auf dieser Seite - nicht des reisernen, sondern eines anderen Vorhangs. Dann hat Isabel in dem Bemühen, sich zu retten, ihn entweder versehentlich oder bewusst entschlossen durchschritten. Eine Zeit lang - vielleicht als ich Eric an jenem Abend nach zu vielen wasserlosen Tagen, nach zu viel Kälte und zu viel Kochen anschrie - schaute ich hindurch und merkte, dass ich ihr folgen könnte. Dann kam der nächste Morgen, das Wasser kam wieder, ich schlief mit meinem Mann, der auch mein Partner war, der Vorhang schloss sich und Isabel befand sich für immer auf der anderen Seite. Vielleicht war es das, was sie gemeint hat.
Aber vielleicht mache ich mir auch zu viele Gedanken.
Vorsicht!
Ein Dessert, für das man eine Form mit Löffelbiskuits
auskleiden muss, sollten Sie nur mit erstklassigen Löffelbiskuits
zubereiten; sie müssen trocken und zart sein,
nicht schwammig und weich. Die minderwertigen Löffelbiskuits,
die man leider in den meisten Bäckereien
bekommt, ruinieren ein ansonsten hervorragendes
Dessert.
Mastering the Art of French Cooking, Bd. 1
Ich kann nur sagen: Verflucht noch MAL! WARUM
HABEN WIR UNS Auf So ETWAS EINGELASSEN?
Aus einem Brief von Julia Child an Simone Beck vom 14. Juli 1958
221. TAG, 330. REZEPT
Der süße Duft des Versagens
E s ist aus mit dem Julie/Julia-Projekt. Wir schaffen das nicht mehr.«
Ich schaute auf den Boden, auf die Spritzer von halb zermatschtem Blumenkohl und zerfetzter Brunnenkresse. Ich schaute auf das Passiergerät, dessen zerbeulte, glänzende Bestandteile mir aus den Händen fielen, die schlaff auf meinen gespreizten Schenkeln lagen. Ich schaute meinem Mann ins Gesicht, und er blickte finster und streng.
»Du meinst...?«
Es ist aus.
Ich glaube, ich habe in meinem ganzen Leben keine schöneren Worte gehört.
Anfangs war alles okay - wenn man einen Sonntag, an dem man ins Büro gehen und irgendwelche Daten in den Computer eingeben muss, als »okay« bezeichnen kann.
Stellen Sie sich vor, Sie gehen zur Wahl. Stellen Sie sich vor, Sie gehen in die Kabine, und statt dem doppelseitigen Stimmzettel oder einem Diebold-Wahlcomputer und einer Reihe von einfachen Entscheidungen - Ja oder Nein zu Vorschlag Nr. 12; Demokrat, Bürgerrechtsliberaler oder der Teufel in Person - finden Sie dort eine freundliche Hochglanzbroschüre, auf deren Titelseite der Satz prangt: »Ihre Meinung ist gefragt!« Sie schlagen sie auf und finden eine Reihe von Fragen nach Ihrer detaillierten Meinung zu verschiedenen Themen: Zu der Brauchbarkeit von Architekturplänen, zum philosophischen Unterbau von Mahnmalen oder zu den sozialen Konsequenzen verschiedener wirtschaftlicher Initiativen. Stellen Sie sich weiter vor, unterhalb dieser Fragen befänden sich jeweils einige leere Zeilen, in die Sie Ihre Wünsche eintragen können, außerdem bekämen Sie einen hübschen blauen Kugelschreiber mit dem Logo meiner Behörde, den Sie behalten dürfen.
Klingt doch gut, oder? Da meint man doch gleich am entscheidungsfindenden Prozess beteiligt zu sein, oder? Da bekommt man das Gefühl, dass die eigenen Gedanken was wert sind.
Also gut. Jetzt nehmen Sie sich noch einen Moment Zeit und stellen sich vor, was mit all diesen wohlerwogenen Worten passiert. Stellen Sie sich vor, sie werden mühsam entziffert - viele von Ihnen haben ja wirklich eine hundsgemeine Handschrift - und eingegeben, nicht eingescannt, sondern Brief für
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