Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche
Brief mit jedem einzelnen Schreibfehler in ein umfangreiches Computerprogramm eingetippt. Von unterbezahlten jungen Frauen, denn es gibt neben dem Verteilen von Papiertaschentüchern und dem Umarmen von Fremden noch etwas, was männliche Ivy-League-Absolventen nicht mögen, und das ist das Eingeben von Daten. Wir reden übrigens von dreißig tausend solcher Broschüren. Fügen Sie jetzt noch einen ständig abstürzenden Server hinzu und die Tatsache, dass an den Wochenenden das Büro nicht geheizt wird, dann haben Sie das Ausmaß der Katastrophe wahrlich vor Augen.
Ich tröstete mich mit der Tatsache, dass ich zumindest nicht das Programm entwickeln musste, das die Einträge systematisch auswertete - so hilfreiche Kommentare etwa wie »Bauen Sie bitte fünf Türme in fünf verschiedenen Farben, weiß, schwarz, braun, gelb und rot, zum Zeichen für die verschiedenen Rassen, die hier starben« oder »Steckt euch euren Scheiß SONST Wo hin!!!«
Ich erledigte also mein Tagespensum an Dateneinträgen und begab mich nach Hause, kaufte aber unterwegs noch die Zutaten zum Abendessen ein. Ich wollte ein einfaches Brathähnchen mit Sauce Diable machen und dazu Chou-Fleur en Verdure (ein Püree aus Blumenkohl und Brunnenkresse mit Sahne). Sauce Diable ist eine verfeinerte Sauce Ragoût , eine klassische braune Sauce, eine Sauce, bei der man sich rechtschaffen, solide und französisch fühlt. Auch das Püree aus Blumenkohl und Brunnenkresse hatte etwas Authentisches. Die Vorfreude erregte mich und machte mich glücklich. An diesem Nachmittag stieg ich in Queens an einer oberirdischen Haltestelle aus der U-Bahn, wo ich sonst nicht aussteige, und als ich dort einen Augenblick auf dem Bahnsteig stehen blieb und den ungewöhnlich warmen Tag in mich aufnahm, den zartblauen Himmel und die Skyline von Manhattan, die sich vor mir erstreckte, da dachte ich: »Schau, New York ist gar nicht so schlimm.«
Ha!
Sauce Ragoût muss mindestens zwei Stunden kochen, deshalb fing ich damit an, kaum dass ich zu Hause war. Da bei mir keine überflüssigen Hühnerleichen herumliegen, hatte ich ein paar Flügel und Mägen mitgenommen, um die Sauce zu verfeinern. Ich begann damit, dass ich sie mit Karotten und Zwiebeln in Butter und Speck anbriet. Allerdings hatte ich zu viele Hähnchenflügel auf einmal in den Topf gestopft, so dass sie nicht richtig braun wurden. Ich bekam sie nur ein bisschen steif und gelb, dann nahm ich sie schon wieder raus, rührte in das verbliebene Fett etwas Mehl für eine leichte, braune Mehlschwitze und gab ein paar Tassen kochende Rinderbrühe dazu, etwas Vermouth und ein bisschen Tomatenmark. Anschließend legte ich die Hähnchenteile wieder hinein, dazu Thymian, ein Lorbeerblatt und ein paar Petersilienstängel. Jetzt musste ich das Ganze nur noch ziemlich lang köcheln lassen. Roch großartig. Kein Problem.
Nächster Punkt: Löffelbiskuits für die Charlotte Malakoff aux Fraises . Löffelbiskuits hatte ich schon mal gemacht und Malakoff auch. Nicht anzunehmen, dass mir das allzu viel Mühe machen würde. Heiter maß ich meinen Puderzucker ab, den Kristallzucker, das gesiebte Mehl. Ich trennte meine drei Eier, bestrich das Kuchenblech mit Butter und bestäubte es mit Mehl.
»Achten Sie darauf, dass der Teig die Form hält«, schreibt Julia Child. »Das bedeutet, dass man ihn fachkundig schlagen und die Zutaten geschickt unterheben muss.« Aha, etwas für Könner; recht so, ich bin mit allen Wassern gewaschen. Außerdem hatte ich das schon mal gemacht, es war ein Kinderspiel. Ich rührte den Kristallzucker unter die Eigelb und gab die Vanille dazu. Ich schlug die Eiweiß mit einer Prise Salz und etwas mehr Zucker, bis sie steif waren. Dann löffelte ich ein Viertel des Eischnees auf die Eigelbmasse und siebte ein Viertel des Mehls darüber. Viertelweise hob ich die Zutaten mit leichter Hand unter, damit der Teig nicht in sich zusammenfiel, dann füllte ich das Ganze in einen Spritzbeutel.
Jetzt quetschte ich Strich für Strich die Löffelbiskuits auf das Kuchenblech. Nun ja, Spritzbeutel und ich, wir können nicht so gut miteinander, und dieser Teig war ziemlich zäh; erst glaubte ich, es handle sich um die Anfangsbeulen einer steil ansteigenden Lernkurve. Aber bald wurde mir klar, dass hier etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Der Teig pflatschte einfach nur auf das Backblech, und obwohl das Rezept für 24 Löffelbiskuits reichen sollte, wurden es bei mir nur 15. Die Sache mit dem fachkundigen Schlagen und
Weitere Kostenlose Bücher