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Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche

Titel: Julie u Julia - 365 Tage, 524 Rezepte Und 1 Winzige Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Powell
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sechs!«
    »Alle nach Queens, Anlegestelle ZWEI, Anlegestelle ZWEI!«
    »Anlegestelle ZWÖLF. Queens, Anlegestelle ZWÖLF!«
    Wir schlurften gehorsam von einer Anlegestelle zur andern, Sekretärinnen jeglicher Hautfarbe und Glaubensrichtung, Schulter an Schulter, die Schuhe in den Händen, mindestens eine von uns in einer dämlichen, viel zu engen Korsage japsend, und kaum waren wir an der Anlegestelle angekommen, die die kleine Latina ausgerufen hatte, legte ein Schiff an - mit Ziel Weehawken. Aus dem Nichts tauchten große, kahlköpfige, stämmige Sicherheitsmänner auf und schrien: »Zurück! Zurück!« Und brüllend teilte sich die Masse der Queenser wie das Rote Meer und ließ eine ordentliche Reihe von Wallstreet-Analysten und Mittelschicht-Muttis hindurchziehen. Warum tat diese Frau uns das an? Vermutlich ein lustiger Anblick, wenn Tausende von erschöpften Angestellten hin- und hertrampeln wie verwirrtes Vieh.
    Ohne Witz: Die Fähre nach Weehawken kam alle fünf Minuten. Ich habe auf die Uhr geschaut. So was macht man, wenn man drei Stunden lang von einer zu plötzlicher Macht gekommenen Fährenkassiererin herumgejagt wird. Der Bezirk Weehawken hat laut Volkszählung aus dem Jahr 2000 genau 13 501 Einwohner. Das heißt nach meinen Berechnungen, dass am 14. August jeder Mann, jede Frau und jedes Kind aus Weehawken in Lower Manhattan war, und zwar zweimal.
    Spaß beiseite. Ich strebe keinen Arbeitsplatz im Ministerium für Innere Sicherheit an, glauben Sie mir. Aber, Herr Minister, ist in den letzten zwei Jahren niemand auf den Gedanken gekommen, dass im Falle einer, sagen wir mal Atomexplosion oder so die Fähren in Manhattan äußerst gute Dienste bei der Evakuierung leisten könnten? Und sind Megaphone eine solche Belastung für den Etat des Innenministeriums? Oder ist man nur zu dem Schluss gekommen, dass jeder, auf den in diesem Moment kein Taxi wartet, entbehrlich ist?
    Eine lustige Sache passierte dennoch. Wir wurden gerade wieder ins Gewühl zurückgedrängt, um einer weiteren Ladung fliehender Weehawken-Bürger Platz zu machen - ich glaube, es war an Anlegestelle fünf. In solch einer Situation gibt es natürlich viele Anlässe, mehrmals hintereinander »Entschuldigung« zu sagen, daher kam ich anfangs gar nicht auf den Gedanken, dass die Frau ein paar Leiber weiter links das zu mir sagte. Aber sie sagte es immer wieder und immer dringlicher, bis ich aufschaute. Sie blickte genau auf mich, aber ich konnte mir nicht vorstellen, womit ich ihre Aufmerksamkeit verdient hätte, ich stand viel zu weit weg, um auf ihren Füßen zu stehen.
    »Ehm, ja?«
    »Sind Sie Julie Powell? Vom Julie/Julia-Projekt? Ich hab Ihr Foto im Newsday gesehen.«
    (Ich weiß, ich weiß. Ich habe nicht erzählt, dass Newsday ein Bild von mir gebracht hat. Das ist einfach viel zu peinlich. Wie soll man darauf zu sprechen kommen, dass man in seinem beschissenen Long Island City Apartment beim Kochen fotografiert wurde, ohne dass es eingebildet, protzig und blöd klingt? Es war sowieso nichts Aufregendes, wirklich nicht. Ich habe bloß Schwein gehabt.)
    »Ah! Ja, ich bin Julie. Hi!«
    »Ich wollte nur sagen, ich bin ein großer Fan von Ihnen. Und ich wohne auch in Long Island City.« Das Mädchen war jung, hübsch und hatte wahrscheinlich einen viel besseren Job als ich. Sie wirkte sympathisch.
    »Oh, danke. Vielen Dank!«
    Jetzt wurden sämtliche Sekretärinnen in unserem Umkreis auf dieses Gespräch aufmerksam und beäugten mich neugierig. Meine Güte - ich war eine Berühmtheit! Es fühlte sich großartig an. Leider hatte ich nichts mehr zu sagen. Ich nickte nur noch einmal und grinste geistlos, und als wir wieder weiterkommandiert wurden, schob ich mich unauffällig in einen anderen Teil der Menge. Als Berühmtheit wäre ich wirklich schrecklich.
    Aber es war nett. Gruslig, aber nett. Und die Fährentour selbst war, als sie endlich zustande kam, sehr vergnüglich. Ich saß da, während ringsum alle Leute mit ihren Digitalkameras fotografierten und mit dem Finger deuteten, und starrte nur auf die untypisch stille Schönheit an beiden Ufern. Als ich am Hunter’s Point ausstieg, konnte ich mit einem Mann weiterfahren, der Leute in Richtung Astoria mitnahm, und das war so großzügig und aufmerksam, dass ich fast die Frau mit der I-♥-NY-Tüte vergaß, die die Notsituation benutzt hatte, um einen Haufen Sekretärinnen übers Ohr zu hauen. Wir fuhren die Jackson Avenue entlang, der nette Mann, seine hübsche, dunkelhaarige Freundin -

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