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Juliet, Naked

Juliet, Naked

Titel: Juliet, Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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hierhergekommen bin, um dich im Krankenhaus zu besuchen?!«
    Sie hatte die Stimme ihrer Mutter. Oder vielmehr – und das war weitaus schlimmer – deren Temperament: Er hörte dieselbe Entschlossenheit,
     von ihm und allen anderen nur das Beste zu denken, dasselbe verwunderte Lächeln. Sowohl Grace als auch Lisa hatten es ihm
     leicht gemacht: Beide waren immer herzzerreißend tolerant und mitfühlend und nachsichtig gewesen. Wie sollteman mit solchen Leuten umgehen? Ihm war der kühle Sarkasmus, dessen Ziel er normalerweise war, lieber. Den konnte er ignorieren.
    »Ja, Grace, ich hatte gehört, dass du kommen würdest.«
    »Aha. Du wusstest es. Warum bist du dann abgehauen?«
    »Ich bin nicht vor dir abgehauen.«
    Allzu viele Lügen konnte er sich nicht erlauben, wenn er wirklich auf Wahrheit und Aussöhnung hinauswollte, aber ein oder
     zwei kleinere, umsichtig gleich am Anfang des Weges in Stellung gebracht, um den Zugang zu erleichtern, konnten notwendig
     werden. »Ich wollte dich nur nicht sehen, während all die ganzen anderen Leute da waren.«
    »Mmmmm – ist es übertrieben, wenn ich dich darauf hinweise, dass die meisten dieser ›anderen Leute‹ deine Kinder sind?«
    »Die meisten, sicher. Aber nicht alle. Es waren auch Exfrauen dabei. In deren Gesellschaft bin ich etwas gehemmt. Und körperlich
     fühlte ich mich auch nicht besonders …«
    »Tja, du bis natürlich der Einzige, der weiß, wie viel du dir zumuten kannst.«
    »Was ich gedacht hatte, war, ob du nicht hierherkommen könntest«, sagte Tucker. »Auf die Art könnten du und ich …«
    Einige grausige Phrasen fielen ihm dazu ein: »uns ganz auf uns konzentrieren«, »Wunden heilen«, »uns wiederfinden«, »aufarbeiten«.
     Keine davon wollte er in den Mund nehmen.
    »Was könnten wir, Tucker?«
    »Wir könnten so Zeug essen.«
    »Zeug essen?«
    »Ja. Und reden, dachte ich.«
    »Hmmm.«
    »Was hältst du davon? Soll ich dir ein paar Züge raussuchen?«
    »Ich glaube … das möchte ich lieber nicht.«
    »Oh.«
    Er konnte es nicht ganz glauben. Wo war hier das Entgegenkommen?
    »Ich wollte im Grunde nicht mal nach London kommen, um dich zu besuchen. Ich konnte … ich konnte nicht so richtig sehen, was
     es bringen würde.«
    »Es war Lizzies Idee.«
    »Ich meine, was irgendein Besuch, egal wo, bringen sollte. Ich möchte nicht zickig sein, Tucker. Ich halte dich für einen
     interessanten Menschen mit einer wundervollen Gabe, und ich habe es immer geliebt, irgendwas über dich zu lesen. Mom hat Gott
     weiß was alles aufgehoben. Aber zwischen uns spielt sich ja eigentlich nicht viel ab, oder?«
    »Nicht … in letzter Zeit.«
    Grace lachte, aber nicht unfreundlich.
    »Nicht in den letzten vierundzwanzig Jahren.«
    War sie schon vierundzwanzig?
    »Und ich bin ziemlich sicher, dass allein meine Existenz so ein bisschen peinlich ist. Ich meine, ich habe mir das Album angehört.
     Mich kann ich darin nicht entdecken. Oder Lisa.«
    »Das ist lange Zeit her.«
    »Da stimme ich dir zu. Vor langer Zeit hast du dich für die Kunst entschieden … und gegen mich.«
    »Nein, Gracie, ich …«
    »Und ich verstehe das. Wirklich. Früher nicht. Aber weißt du … ich mag Künstler. Ich kapiere das. Was willst du also jetzt
     mit mir anfangen? Vielleicht ist ja Platzfür eine peinliche Unterhaltung in einem gottverlassenen Kaff am Arsch der Welt. Aber es ist kein Platz für irgendetwas danach,
     oder? Nicht, solange du dich nicht als totalen Blender outest. Und ich würde das gar nicht von dir verlangen. Ich bin nicht
     sicher, ob in deinem Leben genug passiert, um dich von Juliet zu lösen.«
    Diesen Grad von Scharfblick hatte sie nicht von Lisa. Darauf konnte er stolz sein.
     
    Er ging zurück in die Küche und gab Annie den Hörer.
    »Wie ist es gelaufen?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Tut mir leid.«
    »Ist schon gut. Das habe ich schon vor langer Zeit verbockt. Ich hab zu viele Nachmittagsserien geguckt.«
    Duncan zog sich betont umständlich den Mantel an und versuchte verzweifelt, aus seinen womöglich letzten Minuten mit Tucker
     noch irgendetwas herauszuholen.
    »Von mir aus müssen Sie nicht gehen«, sagte Tucker müde. Duncan sah ihn ungläubig an, wie ein Sechzehnjähriger, dem gerade
     gesagt wurde, dass das hübscheste Mädchen in der Klasse ihn doch noch nicht in den Wind schießen wollte.
    »Echt?«
    »Wirklich. Ich … Was Sie vorhin gesagt haben – das hat mir viel bedeutet. Danke, ganz ehrlich.«
    Und jetzt zog das hübscheste Mädchen

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