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Juliet, Naked

Juliet, Naked

Titel: Juliet, Naked Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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für sich, ganz egal, was Leute wie du davon halten.«
    Ah, okay. Jetzt hatte er es kapiert. Zwischen ihnen tobte irgendein Kulturkampf. Er war der coole Rock-’n’-Roll-Sänger, der
     irgendwo in Big Apple lebte und Drogen nahm, und sie war das kleine Frauchen, das er irgendwoim Nirgendwo zurückgelassen hatte. In Wirklichkeit waren ihre Leben bemerkenswert identisch, nur dass Jackson Little League
     Baseball statt Fußball spielte, und Carrie sicher in letzter Zeit öfter in New York gewesen war als er. Wahrscheinlich hatte
     sie sogar noch irgendwann in den letzten fünf Jahren Pot geraucht. Vielleicht würden alle, die hier hereinkamen, mit ihren
     Unsicherheiten um sich schlagen wie mit Baseballschlägern. Das konnte ja lustig werden.
    Sie wurden durch die Rückkehr von Jackson gerettet, der durchs ganze Zimmer rannte, um Jesse und Cooper in den Magen zu boxen.
     Sie reagierten mit Lächeln und Johlen: endlich jemand, der ihre Sprache sprach. Natalies Entrée hatte etwas Würdevolleres.
     Sie winkte den Jungs zur Begrüßung zu, die sie dafür ignorierten, und stellte sich Carrie vor. Oder stellte sich Carrie erneut
     vor, Tucker war sich nicht sicher. Wer konnte wissen, wer wen schon kannte? Jetzt taxierten sie sich mit Blicken. Für ihn
     war klar, dass Natalie Carrie mit Haut und Haar verschluckt und dann wieder ausgespuckt hatte, und dass Carrie wusste, dass
     sie ausgespuckt worden war. Tucker erkannte neidlos an, dass Frauen das schönere und weisere Geschlecht waren, aber sie waren
     auch unversöhnlich grausam, wenn der Anlass es erforderte.
    Die Jungs rangelten immer noch. Tucker bemerkte niedergeschlagen, dass Jackson auf das Erscheinen seiner Halbbrüder mit ungeheurer
     Erleichterung und großem Enthusiasmus reagierte; ihre attraktivste Eigenschaft war, dass sie keineswegs so aussahen, als müssten
     sie bald sterben, im Gegensatz zu ihrem Vater. Kids rochen so etwas. Man konnte den Ratten, die das sinkende Schiff verließen,
     moralisch keine Vorwürfe machen, sie waren einfach so gepolt.
    »Wie war’s im Zoo, Jackson?«
    »Es war cool. Natalie hat mir das hier gekauft.« Es war ein Stift, auf dem oben ein wackliger Affenkopf saß.
    »Wow. Hast du dich auch bedankt?«
    »Sein Betragen war tadellos«, sagte Natalie. »Es ist eine Freude, ihn bei sich zu haben. Und er weiß so ziemlich alles, was
     es über Schlangen zu wissen gibt.«
    »Ich weiß nicht von allen, wie lang sie sind«, sagte Jackson bescheiden.
    Die Jungs hörten auf zu rangeln, und der gesamte Besuch verfiel in Schweigen.
    »So, jetzt sind wir alle hier«, sagte Tucker. »Und nun?«
    »Ich nehme an, an dieser Stelle verliest du deinen letzten Willen«, sagte Natalie. «Und wir erfahren endlich, welches deiner
     Kinder du am meisten liebst.«
    Jackson sah erst sie an, dann Tucker.
    »Das ist ein Beispiel für Natalies unvergleichlichen Humor, mein Sohn«, sagte Tucker.
    »Oh. Okay. Aber ich schätze, du solltest uns sagen, dass du uns alle gleich lieb hast«, sagte Jackson, und sein Tonfall ließ
     erkennen, dass er eine solche Aussage unbefriedigend und möglicherweise verlogen fände.
    Und er hätte recht damit, dachte Tucker. Wie konnte er sie alle gleich lieb haben? Allein Jackson und sein kaum überspieltes
     Bündel von Neurosen mit diesen zwei soliden und, um ehrlich zu sein, durchschnittlichen und dumpfschädeligen Jungs in einem
     Raum zu sehen, entlarvte diese Lüge. Er konnte verstehen, dass Vaterschaft eine Rolle spielte, wenn du tatsächlich Vater gespielt
     hast – wenn du dich mitten in der Nacht zu deinen Kindern setzt und sie überzeugst, dass ihre Albträume so gegenstandslos
     sind wie Rauch, wenn du Bücher und eine Schule für sie aussuchst, wenn du sie liebst, auch wenn sie es dir verdammt schwer
     machen, etwasanderes als Gereiztheit und gelegentlich kalte Wut zu empfinden. Und er war für die Zwillinge da gewesen, zumindest die ersten
     paar Jahre, aber seit er ihre Mutter verlassen hatte, waren sie ihm immer gleichgültiger geworden. Wie hätte es anders sein
     sollen? Er versuchte sich selbst vorzumachen, dass alle fünf ihm gleich wichtig waren, aber diese beiden ärgerten und langweilten
     ihn, Lizzie war eine Giftspritze und Gracie kannte er im Grunde gar nicht. Oh, sicher, das war größtenteils seine Schuld,
     und er hätte sich gerne eingeredet, Jesse und Cooper wären nicht ganz so scheiß-charakterlos, wenn er und Carrie zusammen
     geblieben wären. Aber in Wahrheit hatten sie alles, was sie

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