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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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»Was willst du wissen?«
    »Ich suche ein junges Mädchen, das nach Berlin gegangen ist. Es heißt Adele Wollenweber.«
    »Nie von ihr gehört«, antwortete die Frau und wand ihm die Münze aus der Hand.
    »Sie wird auch Dela genannt«, fuhr Maruhn fort.
    »Keine Ahnung! Und jetzt sag, ob du ein Mädel willst, sonst zieh Leine!«
    Da Maruhn immer noch keine Anstalten machte zu gehen, wandte sich die Frau an ein paar junge Soldaten und wies mit der Hand auf den Detektiv. »Jungs, wollt ihr mir einen Gefallen tun und den Kerl mit nach draußen nehmen?«
    »Gerne, Frau Fuchs. Na, was ist, wollen Sie gehen oder müssen wir nachhelfen!« Zwei Burschen kamen drohend auf Maruhn zu und hoben die Fäuste.
    »Zurück, ihr Kanaillen! Bin Leutnant Seiner Majestät, des Kaisers und Königs von Preußen a.D. Wurde bei Sedan verwundet und ausgezeichnet. Werde mit euch wohl noch fertig!« Wie von selbst verfiel Maruhn in den schnarrenden Kasernenhofton, der bei preußischen Offizieren üblich war.
    Sofort wichen die Soldaten zurück. »Verzeihung! Wollten Sie nicht behelligen, Herr Leutnant!«
    »Will nicht so sein. Schwamm drüber! Und was Sie angeht, wissen Sie etwas über Adele Wollenweber oder nicht?«
    Das Letzte galt der Bordellwirtin, die nun sichtlich eingeschüchtert war. Ihr Etablissement gehörte zu den schlichteren seiner Art, in dem meist nur kleine Angestellte und Soldaten verkehrten. Ein Feldwebel war schon selten, und sie konnte sich nicht erinnern, dass je ein leibhaftiger Leutnant – wenn auch außer Dienst – es betreten hatte.
    »Also, ich habe von dieser Adele Wollenweber noch nie gehört«, sagte sie um einiges verbindlicher.
    »Kennen Sie denn jemand, der es wissen könnte?«, bohrte Maruhn weiter.
    »Vielleicht fragen Sie zwei Häuser weiter nach, außerdem vielleicht …« Die Frau nannte in schneller Folge mehrere Bordelle, die der Detektiv sich notierte. Zum Abarbeiten dieser Liste würde er etliche Tage benötigen. Dabei sprach die hiesige Puffmutter immer noch weiter. »Wenn diese Adele ein besonders hübsches Mädchen ist, kann sie auch in einem Edelbordell gelandet sein.«
    »Und in welchem?«
    Die Frau seufzte, denn so ein nobles Haus zu führen war auch einmal ihr Traum gewesen. Die Wirklichkeit jedoch sah anders aus. Nun musste sie zusehen, dass sie genug einfache Mädchen fand, die bereit waren, jedem Mann zu Diensten zu sein, der seine paar Mark Hurenlohn aufbringen konnte.
    »Mit den Puffs für die höheren Herrschaften habe ich wenig zu schaffen. Ich kenne im Grunde nur einen, und den auch nur, weil ein guter Freund von mir die dortige Besitzerin geheiratet hat. Es wird
Le Plaisir
genannt und befindet sich in der Stallschreiberstraße. Die Hausnummer weiß ich nicht, aber Sie müssen nur darauf achten, vor welchem Haus die meisten Droschken und Fiaker halten und Herren aussteigen.«
    »Danke!« Maruhn nickte der Frau kurz zu, deutete in Richtung der Soldaten einen militärischen Gruß an, und hinkte zur Tür.
    Es war ein Jammer, dass Fridolin von Trettin ihm Adele Wollenweber nicht hatte beschreiben können. Seinen Überlegungen zufolge konnte das Mädchen nicht unansehnlich sein, sonst hätte kein Zuhälter sich die Mühe gemacht, sie in die Stadt zu locken. Die Eisenbahnzüge, die in Berlins Bahnhöfen hielten, spuckten genug junge Frauen aus, die dem Dasein als Magd entrinnen und hier ein neues Leben beginnen wollten. Nicht wenige davon fielen auf die Luden herein, die die Züge beinahe wie Wegelagerer abpassten. Für diese Kerle war es einfacher, sich dort zu bedienen, als zu riskieren, auf dem Land mit ein paar kräftigen Knechten aneinanderzugeraten.
    »Also auf ins
Le Plaisir!
«, sagte Maruhn zu sich selbst, als er auf der Straße stand. Doch dann wurde ihm klar, dass es ihm dort wohl nichts nützen würde, den ehemaligen Kriegshelden hervorzukehren. Zudem schätzte er, dass er für Auskünfte mehr bezahlen musste als die zehn Mark, die er dieser Puffmutter gegeben hatte. Es war eine Zwickmühle. Solange er keine sichtbaren Erfolge aufzuweisen hatte, konnte er sein Spesenkonto bei Grünfelder nicht bedenkenlos überziehen. Aus diesem Grund humpelte er weiter zu dem nächsten Bordell und fragte nach der vermissten Frau. Auch dort wollte niemand Adele Wollenweber kennen.
    Erneut erwog er, doch das
Le Plaisir
aufzusuchen, aber der Gedanke an die besseren Herrschaften und Offiziere, die dort ein und aus gingen, hielt ihn davon ab. Bevor er Männern über den Weg lief, denen das

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