Juliregen
machen.«
Fridolin ging mit einem Achselzucken darüber hinweg. In Berlin aufgewachsen, hatte er den preußischen Patriotismus in der Schule so mit dem Rohrstock eingebleut bekommen, dass es ihn angewidert hatte. Nun war es eben der deutsche Patriotismus, der den Kindern beigebracht wurde, und die Feinde waren nicht mehr die Dänen, Österreicher oder Bayern, sondern Frankreich und England, die dem Deutschen Reich in den Augen mancher den berechtigten Platz an der Sonne verwehrten.
»So ist eben die Welt«, meinte er. »Wenigstens einen Vorteil hat es für uns. Wenn sich die Großmächte um Einfluss in Afrika und Asien raufen, geben sie zu Hause Ruhe.«
»Wenn dem mal so ist!« Ganz konnte Konrad das schlechte Gefühl nicht verhehlen, welches dieser übertriebene Nationalstolz ihm einflößte. Er fasste sich aber rasch und sah seinen Sohn auffordernd an. »Jonny, bring Onkel Fridolin einen Krug Bier und mir einen Rum.«
»Darf ich auch einen trinken?«, fragte der Junge. »Seeleute tun das, und ich will doch auch ein Seemann werden.«
Konrad versetzte Jonny einen leichten Klaps. »Erst mal gehst du brav zur Schule, und dann wird es noch ein paar Jährchen dauern, bis du als Leichtmatrose anheuern kannst. Und vorher gibt es keinen Rum! Verstanden?«
Der Junge nickte und sauste davon. Kurz darauf kehrte er in Begleitung des Dienstmädchens der Familie zurück. Diese trug ein Tablett mit einem Krug Bier und einem Rumglas herein und stellte es auf den Tisch. »Guten Abend, Herr Graf. Entschuldigen Sie, Herr Benecke, aber ich hatte Angst, Jonny würde wieder das Tablett fallen lassen wie letztes Mal.«
»Schon gut«, beschied Konrad sie.
Jonny verzog das Gesicht. »Ich habe das Tablett nicht fallen gelassen.«
Fridolin musste lachen. »Vielleicht nicht beim letzten Mal, aber ich kann mich noch gut daran erinnern. Mein ganzes Hosenbein war nass vom Bier!«
»Da bin ich gestolpert!« Der Junge grinste und wollte an dem Bier nippen, doch da wies ihn sein Vater energisch zur Tür. »Hast du deine Schulaufgaben bereits gemacht, Jonny?«
Der kleine Mann schüttelte unglücklich den Kopf. »Nein, das wollte ich später machen.«
»Nichts später! Du weißt doch: Was du heute kannst besorgen …«
»… das verschiebe nicht auf morgen!« Jonny stöhnte theatralisch auf, verließ aber gehorsam das Zimmer, um sich an seine Aufgaben zu machen.
»Er findet es ungerecht, dass er zur Schule muss und Pru noch nicht«, erklärte Konrad augenzwinkernd, um dann eine ernste Miene aufzusetzen. »Was führt Sie mitten am helllichten Tag hierher?«
»Ich würde gerne auf Mary warten und mit euch beiden reden!« Fridolins Miene verriet, wie zwiegespalten er sich fühlte, Lores Traum beenden zu müssen, um seinen eigenen erfüllen zu können.
Dies begriff Konrad und nahm sich vor, dem Freund keine Steine in den Weg zu legen. Seit Fridolin ihnen geschrieben hatte, dass er Gut Klingenfeld übernehmen wollte, waren sie sich bewusst gewesen, dass dieser Augenblick kommen würde.
IV.
B is Mary kam, unterhielten Fridolin und Konrad sich über belanglose Dinge und versuchten, ihre Anspannung zu verbergen. Daher waren beide froh, als die Tür aufging und Lores Partnerin erschien. Mary hatte bereits von ihrem Dienstmädchen gehört, welcher Gast in der Wohnung weilte, und begrüßte Fridolin lächelnd. »Gibt es Neuigkeiten von Lore, Herr Graf?«
Während sie mit Lore von gleich zu gleich sprach, weigerte sie sich, dies auch bei Fridolin zu tun. Erstere war ihre Freundin, er aber ein Edelmann.
»Sie hat gestern geschrieben. Unser Sohn will ein berühmter Wespenjäger werden«, sagte Fridolin mit zuckenden Mundwinkeln.
»Ein Wespenjäger! Wie das?«
»Nathalia hat ihm beigebracht, dass Wespen Pelze hätten, und nun hat Wolfi den Ehrgeiz, seiner Mutter einen Mantel daraus machen zu lassen.«
Mary und ihr Mann mussten herzhaft lachen, und Konrad fügte hinzu, dass man dies Jonny um Himmels willen nicht sagen dürfe, da dieser sich ansonsten ungesäumt auf Wespenjagd begeben würde. Dann sah er seine Frau mit nachdenklicher Miene an. »Graf Trettin hat mich gebeten, mich ein wenig um den Aufbau des Gutes zu kümmern, sobald er es übernommen hat.«
»Es ist also so weit!« Mary atmete tief durch und starrte auf ihre Finger, die so meisterlich mit Nadel und Faden umzugehen wussten. »Konrad und ich haben uns schon Gedanken gemacht und alles Geld zusammengerechnet, das wir zur Verfügung haben.«
»Ich habe auch Herrn Simmern
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