Juliregen
wehrte mit beiden Händen ab. »Ich bin doch nicht lebensmüde! Der hätte mir doch glatt eine Kugel auf den Pelz gebrannt. Nein, ich habe es der alten Erna gesagt, und die sollte es dem Verwalter weitermelden.«
»Das heißt, der Mann weiß es vielleicht noch gar nicht. Wir sollten daher vorsichtig sein.« So ganz wohl war dem Landrat nicht. Immerhin war es seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Besitzerwechsel glatt über die Bühne ging. Er stärkte sich mit einem weiteren Korn und forderte die beiden Polizisten auf, zum Gut zu gehen und dafür zu sorgen, dass der Verwalter friedlich blieb.
Die Schutzleute sahen nicht gerade glücklich aus. Der Größere von ihnen starrte auf den Schlagstock an seinem Gürtel, mit dem er gegen einen Mann mit einer geladenen Büchse kaum etwas ausrichten konnte, setzte sich dann aber doch in Bewegung, und sein Kamerad folgte ihm im Abstand einiger Schritte.
Fridolin sah den beiden nach und wandte sich an Nehlen. »Wir sollten mitgehen, damit der Verwalter begreift, dass hier etwas Grundsätzliches geschieht.«
Der alte Herr zögerte einen Augenblick und nickte dann. »Sie haben recht, Trettin! Hier zu warten, bis die armen Kerle entweder erschossen worden sind oder den Mann überwältigen konnten, wäre feige. Kommen Sie!«
Die Männer sahen sich fragend an. Nach einer kurzen Bedenkzeit setzten sich immer mehr Gutsherren und Bauern in Bewegung, bis schließlich keiner mehr zurückbleiben wollte, um nicht in den Ruf eines Feiglings zu geraten.
Die beiden Polizisten hatten inzwischen das verlassen scheinende Gut erreicht. Vor dem Herrenhaus sahen sie sich ratlos um. Zum Haus des Verwalters weiterzugehen, wagten sie offensichtlich nicht.
Als Fridolin und die anderen zu ihnen aufschlossen, lachte Nehlen hart auf. »Ein bisschen mehr Mut, Männer! Sonst geht diese Sache hier ebenso aus wie der Krieg anno sechsundsechzig, und wir müssen die Fahne vor dem Feind streichen.«
In dem Moment wurde die Tür des Herrenhauses geöffnet, und die alte Magd steckte den Kopf heraus. »Da seid ihr also! Na ja, alles ist besser als das, womit wir uns derzeit herumschlagen müssen. Ihr braucht keine Angst zu haben. Der Verwalter ist sturzbetrunken und liegt schnarchend im Bett. Ich habe ihm gestern zwei Flaschen Schnaps aus dem Keller geholt, damit er keine Dummheiten machen kann, und die Gewehre aus seinem Haus geschafft.«
»Das war sehr brav von dir!«, lobte Nehlen die Alte und legte Fridolin den rechten Arm um die Schulter. »Die Frau sollten Sie behalten! Sie kann vielleicht nicht mehr arbeiten wie eine junge, aber dafür hat sie das Herz auf dem rechten Fleck.«
»Das können Sie laut sagen!« Fridolin war erleichtert und nickte der Frau freundlich zu. »Sie sind Erna, nicht wahr?«
»So heiße ich, aber Sie können mich ruhig duzen.«
»Das Angebot würde ich annehmen«, sagte Nehlen lachend und zeigte dann auf Fridolin. »Das hier ist Graf Fridolin Trettin, der neue Besitzer des Gutes.«
»Sie werden Ihre Freude daran haben«, antwortete die Frau schnaubend und wollte schon die Tür schließen. Da fiel ihr ein, dass der neue Herr das Recht hatte, hier ein und aus zu gehen, und ließ sie offen stehen.
»Ist außer dir und dem Verwalter niemand mehr auf dem Gut?«, fragte Fridolin.
Erna schüttelte den Kopf. »Keine Kühe, keine Pferde, kein Geld, kein Knecht. Die meisten Geräte sind auch verschwunden, und die Mägde haben den Dienst aufgekündigt, als sie keinen Lohn mehr erhielten. Aber etliche würden gerne wiederkommen. Die meisten arbeiten jetzt für Kost und Logis bei Verwandten.«
Nach einer kurzen Überlegung nickte Fridolin. »Das wäre mir recht. Es wird zwar dauern, bis das Gut wieder in Schwung kommt, aber dafür muss auch etwas getan werden. Kannst du die Leute zurückholen?«
»Aber natürlich«, antwortete die Frau eifrig. »Ich muss es nur der Krämerin sagen. Da erfahren sie es in kurzer Zeit, und wer will, kann wiederkommen. Allerdings werden Sie einen neuen Verwalter brauchen! Mit dem Suffkopf da drüben kommen Sie auf keinen grünen Zweig. Den hat der junge Baron nur eingestellt, weil ihm der alte Verwalter zu viele Widerworte gegeben hat.«
»Ist der entlassene Verwalter noch in der Gegend?«, wollte Fridolin wissen. Ihm war der Gedanke gekommen, diesen Mann zurückzuholen, denn wenn es jemand gab, der auf Klingenfeld Bescheid wusste, dann er.
Die Frau spürte, dass ein frischer Wind über Klingenfeld blies, und wurde redselig. »Ja, der ist noch da,
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