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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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ersten Blick fiel ihm ein Stein vom Herzen. Bis auf ein paar Ziegelsteine, die wohl den Weg in die Nachbarschaft gefunden hatten, schien hier alles in Ordnung. Im Keller des Rohbaus standen sogar noch die Maschinen, die der alte Baron vor seinem Selbstmord angeschafft hatte.
    »Mit denen wusste Anno von Klingenfeld wohl nichts anzufangen!« Auch Graf Nehlen atmete auf, denn so, wie es hier aussah, konnte die Fabrik ohne Verzug weitergebaut werden.
    Auch der Präsident der Landwirtschaftsvereinigung und der Landrat zeigten sich stark interessiert. Ersterer blieb neben Fridolin stehen und wies auf die fast fertigen Mauern. »Wir haben große Hoffnung in die Pläne des alten Barons gesetzt, doch er ist mit zunehmendem Alter immer unleidlicher geworden und wollte auf niemanden mehr hören. Das war wohl kein Wunder bei so einem Sohn. Für uns Landwirte im Landkreis wäre die Fabrik ein Segen.«
    »Ich habe mir durchaus überlegt, sie fertigzustellen und den Betrieb aufzunehmen«, antwortete Fridolin, wobei er bewusst etwas zögerte. »Da hatte ich jedoch die Hoffnung, das Gut stünde noch halbwegs gut da, so dass ich den Gewinn in die Fabrik stecken könnte. Aber Sie haben ja mit eigenen Augen gesehen, wie es mit den Ställen bestellt ist. Das Vieh ist restlos verkauft, die moderneren Ackerbaugeräte, mit denen das Gut dem Vernehmen nach ausgestattet gewesen war, sind ebenfalls verschwunden, und das Herrenhaus gleicht einer geplünderten Ruine.«
    »Jetzt werfen Sie doch nicht die Flinte ins Korn, bevor Sie das erste Mal damit geschossen haben«, antwortete Graf Nehlen in beschwichtigendem Ton. »Wir alle hier haben großes Interesse daran, dass diese Fabrik fertiggestellt wird, und ich für meinen Teil werde mich auf jeden Fall daran beteiligen!«
    Nun gaben mehrere der Herren feste Zusagen, und so bat Fridolin alle trotz der Verhältnisse, die er hier angetroffen hatte, ins Haus. Dort kredenzte Erna Korn aus der gutseigenen Brennerei, den sie vor dem bisherigen Verwalter versteckt gehalten hatte. Von dem Mann war nichts zu sehen, und als Fridolin die Polizisten noch einmal hinüber ins Verwalterhaus schickte, stand es leer.
    »Der ist abgehauen, als Sie bei der Fabrik waren«, meldete Erna.
    »Er wollte Ihnen wohl nicht Rede und Antwort stehen müssen, oder er hat sogar selbst Geld unterschlagen. Das werden Sie feststellen können, wenn Sie die Rechnungsbücher kontrollieren«, erklärte Nehlen voller Verachtung und meinte dann übergangslos, dass er Hunger habe.
    »Ich glaube, so geht es uns allen. Wir sollten jetzt zum Dorfkrug gehen, sonst wird das Essen dort kalt!« Damit gelang es Fridolin, die Stimmung aufzulockern. Als sie kurz darauf in Sikkos Krug zusammensaßen und sich das Essen schmecken ließen, stellte sich das zufriedenstellende Gefühl ein, dass er in den Kreis der Honoratioren dieses Landstrichs aufgenommen worden war.

VIII.
    D irk Maruhn starrte auf die Tür der prachtvollen Villa, in der August von Grünfelder lebte, und war unschlüssig, ob er nun den Klingelzug betätigen oder wieder gehen sollte, um den Bankier in dessen Geschäftsräumen aufzusuchen. Er stellte sich vor, wie Frida ihm zu Hause das Abendbrot und einen Krug Bier vorsetzen würde, doch das musste warten. Sein Beruf ging vor. Wenn er Grünfelder noch an diesem Tag von seinen Ergebnissen berichtete, konnte dieser umgehend die Behörden informieren, damit bei Anno von Klingenfelds unfreiwilliger Rückkehr ein Haftbefehl vorlag.
    Mit diesem Gedanken drückte Maruhn den Knopf der elektrischen Klingel und hielt ihn ein paar Augenblicke fest. Es dauerte nicht lange, da wurde die Tür geöffnet, und ein Diener in einer grün-goldenen Livree blickte heraus. Angesichts des unmodisch gekleideten Detektivs wurde sein Gesicht zu einer hochmütigen Maske. »Der Lieferanteneingang befindet sich um die Ecke. Doch heute wird dort niemand mehr eingelassen!«
    »Ich will nicht zum Lieferanteneingang, verdammt noch mal! Ich muss den Bankier von Grünfelder sprechen, und zwar dringend. Richten Sie ihm das aus. Hier ist meine Karte.« Mit einer unwirschen Bewegung zog Maruhn das kleine Etui und reichte dem Lakaien eine Visitenkarte.
    Dieser zögerte, sie entgegenzunehmen, doch als er das Wort Auskunftei las, nahm er sie und schloss die Tür vor Maruhns Nase.
    Der Detektiv kämpfte gegen seinen aufsteigenden Ärger. Immerhin war er direkt nach seiner Ankunft in Berlin hierhergekommen. Und nun ließ Grünfelder seine Bediensteten auftreten, als wäre er

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