Juliregen
Erleichterung gab der Kutscher sich damit zufrieden.
Dieser folgte dem Wagen vor ihnen in wechselnden Abständen, um nicht den Eindruck zu erwecken, er würde den Leuten darin nachspüren. Für diese Umsicht lobte Maruhn ihn innerlich. Da er selbst die Stadt recht gut kannte, gelang es ihnen, Pielke auf den Fersen zu bleiben. Nach einiger Zeit erreichten sie ein Gebiet mit alten Fabrikhallen und Schuppen. Hierher verirrten sich kaum Droschken, und es bestand die Gefahr, dass Pielke oder dessen Begleiter auf sie aufmerksam wurden. Daher wies Maruhn den Kutscher an, weiter zurückzubleiben, und behielt die Gauner mit einem Taschenfernrohr im Auge.
Als Pielkes Gefährt in eine Einfahrt einbog, klopfte Maruhn seinem Kutscher auf die Schulter. »Stellen Sie den Wagen in einer Nebenstraße ab und warten Sie auf mich. Ich engagiere Sie für die nächsten Stunden!«
»Mir soll’s recht sein.« Der Mann hatte nach einer bezahlten Fahrt eine Abkürzung nehmen wollen und sich dabei verirrt. Nun hoffte er, wenigstens so viel Geld einzunehmen, dass er dem Besitzer der Droschke die Gebühr bezahlen und noch etwas übrig behalten konnte. Er suchte eine Stelle, an der sein Gespann genügend Platz fand, zog die Bremse an und wickelte die Zügel um einen Pfosten des Bocks. Dann stieg er ab und wollte Maruhn aus dem Wagen helfen. Der war jedoch schon ausgestiegen und eilte, so schnell er es mit seinem verkrüppelten Bein vermochte, auf das Gebäude zu, hinter dem Pielke verschwunden war.
Gerade als Maruhn das Haus erreichte, sah er einen Wagen aus der Einfahrt kommen. Im ersten Moment nahm er an, die Verfolgten hätten ihn bemerkt und wollten ihn austricksen. Dann aber stellte er fest, dass der magere Gaul diesmal nicht den geschlossenen Wagen zog, sondern eine schäbig aussehende Droschke. Auf dem Bock saß jedoch derselbe ältliche Kutscher. Da der Wagen leer war, mussten Pielke und dessen Kumpan sich noch in dem Gebäude befinden.
Maruhn überlegte, wie er ungesehen hineingelangen konnte, entdeckte dann zwei Männer und eine Frau hinter einem Fenster, an dem er gerade vorbeigehen wollte, und drückte sich an die Wand. Vorsichtig stellte er sich so, dass er die Leute drinnen beobachten konnte, ohne selbst wahrgenommen zu werden, solange niemand von innen direkt an das Fenster trat. Der jüngere der beiden Männer war wie ein wohlhabender Gutsbesitzer gekleidet, der andere eher bürgerlich und die ältere Frau, die heftig auf ihre Begleiter einredete, wie eine Dame von Stand.
Nun war Maruhn restlos überzeugt, dass hier ein übler Streich vorbereitet wurde, der Anno von Klingenfelds Betrügereien noch übertreffen mochte, und er nahm sich vor, den Herrschaften dort drinnen die Suppe nach Kräften zu versalzen.
II.
O bwohl Lore häufig mit der Eisenbahn fuhr, war sie diesmal so aufgeregt, als sei es das erste Mal. Bei einem weiteren Besuch auf Klingenfeld hatte Rodegard von Philippstein erneut etliche Boshaftigkeiten von sich gegeben, die sie nicht mit Worten, sondern mit schönen Möbeln beantworten wollte. Diese hoffte sie von dem Gebrauchtmöbelhändler Dausend zu erstehen.
Nathalia und Dorothea verspotteten sie wegen ihrer Nervosität, während Mary sich zurückhielt. Jürgen hatte sein Notizheft aus der Tasche gezogen und fertigte Skizzen von den vier Damen an. Auf Bedienstete hatten sie verzichtet, da Lore nur kurz in Berlin bleiben wollte. Auch ihre Zofe Nele und Nathalias Zofe Christa waren deshalb auf Klingenfeld zurückgeblieben.
Nathalia versuchte nun, den jungen Mann in das Gespräch einzubeziehen. »Was meinen Sie, Herr Göde? Werden wir in Berlin die Möbel bekommen, die unsere liebe Gräfin Trettin sich so wünscht?«
Nachdenklich blickte Jürgen auf. »Ich hoffe es! Leider habe ich diesen Herrn Dausend nicht gesehen und ihn daher nicht über die Herkunft der Möbel befragen können. Auch kann ich es mir kaum vorstellen, dass ein Schlossbesitzer die alten, von seinen Ahnen ererbten Möbel verkauft, um sich neu einzurichten. Vielleicht hat ein weniger von Traditionen geprägter Herr ein Schloss gekauft und den alten Krempel, wie er es nennen dürfte, durch eine moderne Einrichtung ersetzt.«
»Jemandem wie Grünfelder würde ich das zutrauen, und Rendlinger gleich gar!« Lore lachte leise über die beiden Männer, die aus niederen Schichten aufgestiegen und zu Geld gekommen waren. Auch wenn sie sich jetzt Baron Rendlinger und Herr von Grünfelder nennen durften, merkte man ihnen immer noch den Parvenü an. Im
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