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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Fotografien zur Heirat zwingen. Es mussten schlimme Bilder sein, wenn er überzeugt war, sie mit ihnen erpressen zu können. Aber noch hatte er sie nicht zum Standesamt geschleppt. Im Augenblick machte sie sich mehr Sorgen um ihre Freundinnen. Malwine hatte Lore seit Jahren mit ihrem Hass verfolgt und bekämpft. Was mochte diese widerliche Frau ihr angetan haben? Ganz gleich, was es war – sie würde Mittel und Wege finden, Mutter und Sohn Trettin für jegliche üble Tat zur Rechenschaft zu ziehen. Dafür aber musste sie den beiden so rasch wie möglich entkommen. Hatte man sie erst einmal nach Trettin verschleppt, würde es beinahe unmöglich sein, die Pläne dieses üblen Pärchens zu durchkreuzen.
    Als Malwine ihre Handtasche nahm und die Tür öffnete, überlegte Nathalia, ob sie die Gelegenheit nutzen sollte. Wenn es ihr gelang, Ottwald von Trettin zu überraschen, kam sie vielleicht aus dem Abteil, bevor dieser sie festhalten konnte. Gerade als sie ihre Muskeln anspannte, sah sie draußen im Gang die Umrisse eines Mannes, der ihr bekannt vorkam. Bevor sie jedoch einen weiteren Blick erhaschen konnte, hatte Malwine die Tür des Abteils von außen zugemacht.
    Da Ottwald sich in dem Moment wieder über sie beugte, schloss sie die Augen und tat, als schliefe sie immer noch.
    Mittlerweile hielt der Zug, und Nathalia hörte die Ansage eines Bahnbeamten, dass sie zehn Minuten Aufenthalt hätten. Malwine wird sich beeilen müssen, um ihr Telegramm loszuschicken, dachte sie. Gleichzeitig überlegte sie, ob sie draußen wirklich Jürgen gesehen hatte. Ihr Herz rief ja, doch sie hatte Angst davor, enttäuscht zu werden. Dabei hätte sie seine Hilfe so dringend gebraucht.
    Nathalia wartete, bis Ottwald von Trettin sich wieder auf seinen Platz gesetzt hatte und eine Zeitung zur Hand nahm, die er in Berlin am Bahnhof erstanden hatte. Im nächsten Augenblick sprang sie auf.
    Ihre Gliedmaßen waren von der Betäubung und der langen Reglosigkeit steif, daher stolperte sie über die eigenen Füße und fiel gegen die Tür. Es gelang ihr noch, diese zu öffnen. Im gleichen Moment hatte Ottwald von Trettin sie gepackt und riss sie zurück.
    »Hilfe!«, schrie sie, so laut sie konnte.
    In dem Moment presste Ottwald ihr die Hand auf den Mund, erstickte den nächsten Laut und ließ auch nicht los, als sie ihn in die Hand biss.
    Jürgen hatte den kurzen Ruf gehört und fuhr herum. Im Halbdunkel sah er schattenhaft, wie sich eine junge Frau verzweifelt gegen einen Mann wehrte, und begriff, dass es sich um Nathalia handeln musste. Er sprang hinzu, riss sie aus Ottwalds Armen und versetzte diesem einige Fausthiebe.
    Ottwald taumelte nach hinten, fiel in einen Sitz, kam aber sofort wieder auf die Beine. Wutentbrannt warf er sich auf Jürgen. Dieser wich den Schwingern seines Gegners durch eine geschickte Drehung aus, schlug zurück und traf diesen am Kinn. Betäubt sank Ottwald von Trettin zu Boden.
    »Verfluchter Mädchenräuber!«, zischte Jürgen und drehte sich mit einem verkrampften Lächeln zu Nathalia um. »Bin ich froh, Sie gefunden zu haben, Komtess!«
    »Wahrscheinlich nicht halb so froh wie ich. Aber jetzt sollten wir verschwinden. Der Lokomotivführer bedient bereits seine Dampfpfeife. Gleich fährt der Zug weiter.«
    Jürgen fasste sie bei der Hand und wollte sie mit sich zerren. Doch sie machte sich noch einmal los, schlüpfte ins Abteil und packte den kleinen Koffer, der Ottwald so wertvoll erschienen war, dass er ihn bei sich behalten hatte.
    »So, jetzt können wir!«, rief sie Jürgen zu und wollte losrennen.
    »Halt, hierher! Gräfin Trettin weiß noch nicht, dass wir den Zug schnellstens verlassen müssen.« Es gelang Jürgen, Nathalia festzuhalten und in die andere Richtung zu schieben. Die Tür des Waggons war noch offen, doch wenn sie jetzt ausstiegen, würde Lore allein weiterfahren müssen. Daher rannte er in den nächsten Waggon, wo er sie sogleich entdeckte.
    »Frau Gräfin, Nathalia ist hier. Wir müssen aus dem Zug«, schrie er und winkte heftig.
    In den umliegenden Abteilen schimpften Fahrgäste, die sich in ihrer Nachtruhe gestört fühlten, und der Schaffner steuerte auf ihn zu, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Der gute Mann kam jedoch zu spät. Jürgen erreichte die Tür, half Nathalia hinaus und verließ ebenfalls den Waggon.
    Weiter vorne sprang Lore auf den Bahnsteig hinunter und lief durch den eben einsetzenden Regen auf ihre Freundin zu. »Gott sei Dank haben wir dich gefunden!«
    »Das war Herrn

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