Juliregen
hören muss, sein Vater wäre drüben in Amerika verhungert.«
Seine Frau sah ihn kurz an, nahm ein zweites Geldbündel aus ihrem Safe und steckte es mit dem andern zusammen in eine Tasche. Noch während sie den Wandschrank wieder schloss, trat Anton ein.
»Sie wünschen Madame?«
»Anton, du wirst meinen Ehemann nach Hamburg begleiten und dort eine Zwischendeckspassage auf deinen Namen buchen. Ebenso wirst du Herrn Laabs deinen Ausweis geben, damit er damit in die Neue Welt reisen kann.«
»Vergiss nicht das Geld!«, mahnte Laabs seine Frau.
Ein spöttisches Lächeln umspielte Hedes Lippen, als sie weitersprach. »In diesem Beutel steckt eine größere Summe. Kauf davon die Fahrkarten nach Hamburg und die Passage auf dem Schiff. Den Rest übergibst du Herrn Laabs in dem Augenblick, in dem er an Bord geht. Aber achte darauf, dass er das Schiff nicht mehr verlässt!«
Das klang ganz nach einem Verbannungsurteil, dachte Anton erleichtert. Er war froh, dass seine Herrin die Konsequenzen gezogen hatte. Seit Hede Manfred Laabs geheiratet hatte, war er ihr Ungeist gewesen. Nun würde sie endlich wieder die werden können, die sie vorher gewesen war.
Anton salutierte, als wäre er ein Soldat und Hede sein vorgesetzter Offizier. »Madame können sich auf mich verlassen!« Dann wandte er sich an Laabs. »Kommen Sie!«
Dieser sah Hede an. »Willst du mir zum Abschied nichts sagen?«
»Geh mit Gott!«, antwortete sie und legte die Pistole auf den Tisch.
Zum Glück hatte sie das Ding nicht gebraucht, möglicherweise aber würde Anton sie einsetzen müssen. Daher schob sie ihm die Waffe samt der Tasche mit dem Geld zu. Zwar war sie sich sicher, dass ihr Getreuer auch so mit ihrem Mann fertig werden würde, doch sie wollte Manfred zeigen, dass es keinen anderen Weg für ihn gab, als ihr in allen Punkten zu gehorchen.
Anton nahm beides an sich, verstaute die Pistole in seiner Jackentasche und fasste Laabs am Arm. »Kommen Sie! Wir packen jetzt Ihren Koffer, fahren zum Bahnhof und nehmen den ersten Zug, der nach Hamburg fährt.«
Zunächst sah es so aus, als wolle Laabs sich widersetzen, doch dann senkte er den Kopf und ging mit ihm.
Hede sah den beiden nach, schloss die Tür und ließ ihren Tränen freien Lauf. Trotz seiner Fehler hatte sie ihren Mann geliebt, und es tat ihr weh, ihn so scheiden zu sehen.
Sie öffnete das kleine Hängeschränkchen, holte die Cognac-Karaffe und ein Glas heraus und goss sich ein. Als sie trank, bemerkte sie kaum mehr als eine gewisse Schärfe im Mund und wollte nachschenken. Dann zuckte sie zurück. Um ihres Sohnes willen durfte sie keinen Trost im Alkohol suchen. Energisch stellte sie die Flasche wieder in das Schränkchen und setzte sich an ihren Platz. Da klopfte es draußen, und auf ihr »Herein!« schlüpfte Hilma in den Raum.
»Madame, kann ich kurz mit Ihnen sprechen?«
»Jederzeit!« Hede musterte ihr Gegenüber und fand, dass sie selten ein schöneres Mädchen unter ihren Schützlingen gehabt hatte, aber auch kaum ein eigensinnigeres.
»Was gibt es?«
»Herr Rendlinger ist doch seit einigen Wochen mein Stammgast. Heute meinte er, es gefalle ihm nicht, mich länger mit anderen Männern teilen zu müssen. Auch sein Freund Grünfelder wünscht sich eine Freundin, die nur ihm zur Verfügung steht. Gemeinsam haben sie überlegt, ob sie Dela und mir nicht so viel Geld geben sollten, dass wir uns ein kleines, aber exklusives Bordell einrichten können. Auf das Ambiente und den Reiz, den ein solches ausstrahlt, wollen die Herren nämlich nicht verzichten. Sie, Madame, müssten uns dafür aus Ihren Diensten entlassen.«
Ein Gedanke schoss Hede durch den Kopf, und sie beugte sich interessiert vor. »Dela und du, ihr wollt also, um es derb auszudrücken, Puffmütter werden?«
»Den Herren wäre sehr daran gelegen, dass die beiden Chefinnen nur für sie reserviert wären«, erklärte Hilma mit leuchtenden Augen.
»Das ließe sich machen, aber auf andere Weise, als du denkst!«
Hede war schon länger klar, dass ihr nicht mehr viel am
Le Plaisir
lag. Lieber denn je würde sie das Bordell in andere Hände geben. Wenn Rendlinger und Grünfelder den beiden so viel Geld gaben, dass es ihr als Abstandssumme reichte, konnten Hilma und Dela das
Le Plaisir
übernehmen. Sie selbst war wohlhabend genug, um sich mit ihrem Sohn irgendwo in der Provinz ein Haus zu kaufen und dort ein bürgerliches Leben zu beginnen.
XII.
D ie Dunkelheit der Nacht machte es Lore und Jürgen fast unmöglich, nach
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