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Juliregen

Juliregen

Titel: Juliregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Gödes Verdienst. Du hättest sehen sollen, wie er mit diesem elenden Trettin – verzeih, ich meine den Schurken Ottwald – gekämpft hat. Ohne ihn wäre ich diesem widerlichen Kerl niemals entkommen.«
    Ein flammender Blick Nathalias traf Jürgen. Der bemerkte gerade hinter einem beleuchteten Zugfenster eine Bewegung und glaubte, den Entführer zu erkennen.
    »Wir sollten den Bahnhof schleunigst verlassen!«, riet er den beiden Frauen. »Sonst lässt dieser elende Tr… Ottwald uns noch verhaften.«
    »Das wird er schön bleibenlassen«, zischte Lore, kam aber dann doch mit.
    Es war tiefe Nacht, es regnete in Strömen, und keiner von ihnen trug passende Kleidung. Dennoch liefen sie, einander an den Händen haltend, lachend in den warmen Juliregen hinaus.

XIV.
    M alwine war es gelungen, das Telegramm an den Inspektor loszuschicken. Nun kehrte sie in den Waggon zurück, sah zu ihrer Verwunderung die Tür ihres Abteils offen stehen und rannte hinein. Ihr Sohn versuchte gerade, sich vom Boden aufzurichten. Von Nathalia war nichts zu sehen.
    »Was ist geschehen?«, schrie sie entsetzt und half Ottwald auf die Beine.
    Ihr Sohn schüttelte sich und betastete sein Kinn. »Plötzlich kam ein Mann herein und hat mich hinterrücks niedergeschlagen. Er muss mit der Komtess verschwunden sein!«
    »Dort sind sie!«, rief Malwine und wies durch das Fenster ins Freie.
    Ihr Sohn folgte ihrem Fingerzeig und fluchte. »Dieser verdammte Hund! Ich werde ihn …« Mit einem Satz war er auf dem Gang und rannte zur nächsten Tür. Unterwegs griff er in seine Jackentasche und atmete auf, als er das Fläschchen mit dem Betäubungsgift wie auch seine Pistole ertastete.
    Ein schriller Pfiff ertönte, und der Schaffner schlug die Waggontür zu. »Halt, ich muss hinaus!«, schrie Ottwald.
    »Es ist zu spät, Herr von Trettin. Nein! Nicht!«
    Der Schaffner wollte sich Ottwald in den Weg stellen, doch dieser stieß ihn rüde beiseite und riss die Tür auf.
    Der Zug rollte bereits. Dennoch trat Ottwald die Stufen hinab und wollte springen. In dem Moment verhakte sich seine Rocktasche am Türgriff. Er rutschte auf dem regennassen Metall ab und hing für einen Augenblick hilflos am Waggon. Dann riss der Stoff, und er stürzte mit dem Kopf voraus auf das Gleis. Das Letzte, was er in seinem Leben sah, war das auf ihn zurollende Rad.
    Der Schaffner hatte das Unglück kommen sehen, dem Fahrgast aber nicht mehr helfen können. Im Schein der Bahnsteiglampen nahm er noch wahr, wie Menschen entgeistert auf Ottwald von Trettin zuliefen, dann machte das Gleis eine Kurve und der Bahnhof wurde seinem Blick entzogen. Der Mann überlegte, was er tun sollte. Da es sonst keine Augenzeugen gab und er sich höchstens Ärger einhandeln konnte, sicherte er die zugefallene Tür, schlich ans andere Ende des nächsten Waggons und ging von da aus seinen Pflichten nach, als wäre nichts geschehen.

XV.
    L ore, Nathalia und Jürgen hatten den Bahnhof so schnell verlassen, dass ihnen Ottwalds Unfall entgangen war. Draußen blieben sie auf der pfützenübersäten Straße stehen und sahen sich im Licht der Gaslampen fragend an.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Nathalia.
    »Vielleicht sollten wir die Behörden informieren«, schlug Jürgen vor.
    Lore winkte ab. »Das halte ich nicht für klug. Was ist, wenn Ottwald von Trettin seinen Rang als Freiherr ausspielt und Nati und mich als überspannte, hysterische Frauen hinstellt? Sie als Bürgerlicher müssten sogar damit rechnen, auf seinen Wunsch hin verhaftet und eingesperrt zu werden. Ich halte unsere Beamten für dumm genug, ihm Nathalia gegen ihren Willen auszuliefern.«
    Jürgen zog den Kopf ein. »Das sind wahrlich keine guten Aussichten.«
    Da entdeckte er an einem Haus eine Aufschrift, die auf ein Fuhrunternehmen hinwies. »Wenn das so ist, sollten wir diese Ortschaft so rasch wie möglich verlassen. Vielleicht kann man uns dort drüben helfen!«
    Er trat auf das Haus zu und schlug den Türklopfer an.
    Ein Hund bellte, und einige andere Hunde im Ort antworteten darauf. Jürgen ließ sich jedoch nicht beirren, sondern klopfte so lange, bis das Fenster im Obergeschoss geöffnet wurde und ein Mann herausschaute. »Wo brennt es denn mitten in der Nacht?«
    »Entschuldigen Sie, doch wir benötigen dringend Ihre Hilfe«, rief Jürgen. »Bei unserem Wagen ist unterwegs ein Rad gebrochen. Der Kutscher will sich darum kümmern, doch wir wissen nicht, wie wir nach Hause kommen, denn der letzte Zug ist bereits abgefahren. Wenn

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