Juliregen
ideal! Ich sage Ihnen, die hat sich in weniger als fünf Jahren amortisiert«, erklärte er und sah zufrieden, dass Fridolin und auch Nathalia ihm zustimmten.
Lore legte ihr Besteck weg und sah ihren Mann an. »Notfalls verkaufe ich meinen Anteil am Modesalon an Mary, damit du investieren kannst.«
»Das wird nicht nötig sein!« Fridolin winkte heftig ab, denn er musste daran denken, dass es vor einigen Jahren zwischen Lore und ihm wegen des Modesalons zu einem schlimmen Streit gekommen war. Lore lag viel an dem Geschäft und ihrer Freundin Mary Penn, die offiziell die Inhaberin war. Keinesfalls sollte Lore deshalb ihren Traum seinem Erfolg opfern. Nur im äußersten Notfall würde er auf ihren Vorschlag eingehen.
»Was werdet ihr unternehmen, wenn ich morgen früh weg bin?«, fragte er, um das Gespräch in andere Bahnen zu lenken.
»Da fällt uns gewiss eine Menge ein«, antwortete Nathalia lachend. »Wir können ausfahren, in der nächsten Konditorei Tee trinken und Kuchen essen, Graf Nehlen besuchen oder einfach hierbleiben und den Herrgott einen lieben Mann sein lassen.«
Fridolin wusste, dass Nathalia es keine zwei Tage aushalten würde, ohne etwas zu unternehmen, daher lächelte er nur und sah dann auf die goldene Schweizer Uhr, die Grünfelder ihm anlässlich eines besonders lohnenden Geschäftsabschlusses geschenkt hatte. »Lange kann ich nicht mehr aufbleiben. Ich fahre morgen früh nach Klingenfeld und nehme das Gut in Augenschein. Danach kehre ich gleich nach Berlin zurück.«
»Ohne noch einmal hierherzukommen? Du weißt doch, wie neugierig ich bin«, wandte Lore ein.
Fridolin schüttelte bedauernd den Kopf. »Wenn ich das täte, würde ich einen ganzen Tag verlieren. Doch die Sache brennt mir unter den Nägeln. Ich muss Grünfelder und Dohnke so rasch wie möglich Bescheid geben. Es besteht die Gefahr, dass sonst die Versteigerung des Gutes beschlossen wird, und genau das wollen wir verhindern. Ich gehe also bald zu Bett.«
»Wenn du den Nachtisch noch abwartest, komme ich mit«, bot Lore an.
Fridolin musste lachen. »Keine Sorge, für den Nachtisch und ein Glas Wein habe ich noch Zeit. Hattet ihr noch Pläne für heute Abend?«
»Lore hätte gewiss genäht und ich ein wenig gelesen. Ich glaube, das werde ich auch tun. Und Sie, Herr Zeeb?«
Der Verwalter kratzte sich am Kinn. »Nun, ich glaube, ich werde das Kassenbuch nachtragen. Wenn man da nicht auf dem Laufenden bleibt, hat man leicht einen Fehler darin.«
»Ist das nicht Aufgabe des Inspektors?«, fragte Fridolin erstaunt.
Zeeb zwinkerte ihm grinsend zu. »Eigentlich schon. Aber der Gute hat eine Hoferbin kennengelernt und um Urlaub gebeten. Jetzt mache ich es, bis ein neuer Inspektor bestellt ist. Einen auf den Schwingen der Liebe schwebenden Mann lasse ich nicht mehr an die Bücher!«
Damit brachte er die anderen zum Lachen. Zeeb fiel in das Gelächter ein und verabschiedete sich. Lore, Nathalia und Fridolin blieben auf der Terrasse sitzen und blickten zu den Sternen hoch, die über ihnen am Firmament glitzerten.
»Das Leben ist schon eigenartig«, entfuhr es Fridolin.
»Weshalb?«, fragte Nathalia.
»Ich hätte mir damals, als Lores Großvater gestorben war und ich in Berlin förmlich von der Hand in den Mund leben musste, nie träumen lassen, einmal reicher zu sein als mein Vetter Ottokar auf Trettin. Doch jetzt sieht es ganz so aus, als würde genau dies eintreten.«
»Und das hast du aus eigener Kraft geschafft und nicht durch irgendwelche windigen Gerichtsentscheidungen!« Lore schüttelte es bei der Erinnerung an jene Tage, an denen ihr Großvater sein Gut an den Neffen verloren hatte. Damals hatte sie tatsächlich befürchtet, der alte Herr würde Ottokar von Trettin einfach über den Haufen schießen. Manchmal wünschte sie sich mittlerweile, er hätte es getan. Zwar wäre das Gut weiterhin im Besitz von Malwine und deren Söhnen geblieben, doch ihre Eltern und Geschwister würden noch leben.
Fridolin spürte, dass sich Lores Gedanken in der Vergangenheit verloren, und zog sie an sich. »Was hast du?«
»Nichts, nur … ich habe an Großvater gedacht und an das, was damals geschehen ist. Ottokar war ein zu leichter Tod beschieden, und Malwine hat noch lange nicht genug gebüßt!«
Der unterschwellige Wunsch nach Rache, den sie seit jenen Tagen im Jahre 1875 empfand, war nie vergangen. Auch wenn sie den Intrigen ihrer Verwandten auf Trettin entkommen und glücklich geworden war, hatten zu viele, die sie geliebt hatte,
Weitere Kostenlose Bücher